PD Dr. Udo Gansloßer meint; „Ja sie spielen doch!“, jedenfalls ist das der Titel des Buches, das er gemeinsam mit Mechtild Käufer geschrieben hat. Auf 288 Seiten erklären die Autoren die unterschiedlichen Spielformen, beschreiben, in welchem Kontext sie gezeigt werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Auch Trainer Martin Rütter ist davon überzeugt, dass Hunde „spielen“ und Millionen von Hundebesitzern rund um den Globus glauben das ebenfalls. Dem zu widersprechen ist in etwa so, wie im Mittelalter die Aussage zu treffen dass die Erde eine Kugel sei und sich um die Sonne dreht. Immerhin, der virtuelle Scheiterhaufen ist nicht ganz so heiß wie jener vor etwa 500 Jahren. Trotzdem scheint es, jedenfalls in der Hundewelt, so etwas wie Häresie zu sein, wenn man die Frage „spielen Hunde“ mit: „Nein! Sie spielen nicht“ beantwortet.

Ein Kommentar von Rosa Hackl

Das ist keine entspannte Hundebegegnung

Spielen Hunde?

Manchmal sagt man ja einfach Dinge aus der Freude am Widerspruch aber wenn es um das Thema Hund und Spielen geht, dann bin ich überzeugt davon, dass da ein Denkfehler vorliegt. Entweder besetzen wir, bezogen auf den Hund, den Begriff „Spiel“ falsch oder wir wenden ihn nicht richtig an. Denn ein Spiel  ist im Allgemeinen eine entspannende Tätigkeit, deren Zweck vordergründig in sich selbst liegt. Neben dieser, recht einfachen, gibt es eine Unzahl weiterer Definitionen für den Begriff „Spiel“. Liest man die alle durch, ist man meist nicht klüger, aber einen roten Faden gibt es – das Spiel genügt sich selbst, das Spielverhalten dagegen hat mit Lernen zu tun und mit Üben. Spiel ist also nicht gleich Spielverhalten. Ich denke man muss bei diesem Thema begrifflich präzise sein. Außerdem sollte man bedenken, dass bei Hunden fließende Übergänge und Wechsel zwischen Spiel, Spielverhalten und Ernst stattfinden. Das ist es was wir auf der Hundewiese beobachten. Aus meiner Sicht ist das nicht einfach „Spiel“.

Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann

Jacques Cousteau

Vielmehr setzen Hunde Spielverhalten ein um Bewegungsabläufe, Jagdverhalten, Rangkämpfe und dergleichen zu üben. Der spielerische Kontext in dem dieses Verhalten abläuft, dient eher der Konfliktvermeidung. Der Zweck dieses „Spieles“ liegt nicht in sich selbst. Das mag einer der Gründe sein, warum auf Hundewiesen das „Spiel“ so oft eskaliert und in Konfrontation oder Mobbing übergeht. Außerdem haben Begriffe immer eine Konnotation, also eine Mitinformation. Das bedeutet wir verbinden eine Emotion damit, die kann positiv oder negativ sein. Zum Beispiel der Begriff „Spiel“ ist positiv konnotiert, die Begriffe „Raufen“ oder „Mobbing“ dagegen negativ. Hundehalter verabreden sich zum Spiel auf der Hundewiese, zum Raufen oder Mobbing würde sich kaum jemand ein Date ausmachen. Trotzdem passiert in der Realität genau das sehr häufig.

Nicht jeder Hund mag jeden Hund

Einander fremde Hunde spielen NICHT

Diese Aussage ist nicht verhandelbar, einander fremde Hunde spielen nicht miteinander. Sie setzen Spielverhalten ein um eine Eskalation zu vermeiden aber ein echtes Spiel findet auf der Hundewiese nicht automatisch statt. Was passiert: Hunde treffen aufeinander, taxieren einander und versuchen sich gegenseitig einzuordnen. Den Stress der dabei entsteht reduzieren sie durch Rennen, manche durch Gebell. Wenn ein weiterer Hund dazu kommt, wiederholt sich dieser Ablauf. Das ist kein Spiel. Anders ist es bei sich wiederholenden Hunderunden, wo sich Zwei-und Vierbeiner kennen. Hier kann über die Zeit durchaus eine Art Spiel entstehen. Wenn die Hunde einander vertraut sind entwickeln sie dieses gemeinsam. Sogenannte „Spielkämpfe“ sind übrigens nichts für Hunderunden oder Hundewiesen. Diese Form der Kommunikation sollte nur zwischen Hunden stattfinden, die einander sehr gut kennen und sich mögen. Dazu aber später.

Spielkämpfe brauchen einen sicheren Rahmen

Man muss unterscheiden – Spiel und Spielverhalten darf man nicht in einen Topf werfen

Snuffi Senior war ein Dogorüde, er hatte drei Interessen: Futter, Sex und Schlafen. Im Gegensatz zu den meisten Vertretern seiner Rasse war er nicht jagdlich orientiert. Wild anzeigen, ja sehr gerne aber Wild hetzen, nein danke. Er konnte mit fremden Hunden perfekt interagieren. Traf er Hündinnen setzte er Spielverhalten ein um an ihren Hintern zu kommen. Traf er Rüden, setzte er Spielverhalten ein um eine Eskalation zu vermeiden. Wollte er Futter konnte er zum Clown mutieren. Wirklich gespielt hat er aber nur wenn er einen passenden Laubhaufen fand. In dem konnte er minutenlang toben und alles rundherum vergessen. Das war „sein Spiel“.

Ein Spiel genügt sich selbst

Ein Spiel hat keinen Zweck

Wenn Hunde „spielen“ dann verfolgen sie keine Absicht damit. Wenn Hunde Spielverhalten einsetzen, dann haben sie einen Grund dafür. Spielverhalten ist fast immer zielgerichtet im Gegensatz zum Spiel. Wer einen Hund beobachtet, der völlig selbstvergessen etwas tut, der sieht einen spielenden Hund. Das kann ein Vierbeiner sein, der sich mit einem Ball, einem Stock oder vielleicht einem Fetzen selbst beschäftigt. Diesen entspannt in die Luft wirft, ihn fängt, sich darauf wälzt. Wenn Hunde spielen ist ihr Muskeltonus entspannt. Man erkennt es auch am Gesichtsausdruck, an den Bewegungen, der Energie, die von ihnen ausgeht. In der sozialen Interaktion gibt es diese „spielerischen Momente“ ebenfalls. Zwischen Hunden aber auch zwischen Zwei-und Vierbeiner. Mit etwas Empathie erkennt man diese kurzen Augenblicke. Wenn der Hund sein Spielgesicht aufsetzt und sich wohlig grunzend mit Herrchen oder Frauchen herumwälzt, dann ist das Spiel. Diese Gelegenheit soll man wahrnehmen. Es stärkt die Bindung. Außerdem: Gemeinsames positives Spiel senkt den Stresslevel und erhöht den Ausstoß der sogenannten „Glückshormone“, wie Oxytocin, Beta-Endorphin und Dopamin. 

Hunde haben ein „Spielgesicht“

Rennspiele, Jagdverhalten und Hormone

Jeder Hund kommt inklusive angeborenem Beutefangverhalten auf die Welt. Jagd nun ein Hund lieber Autos, Radfahrer, Jogger oder andere Hunde, dann spricht man von einem fehlgeleiteten Beutefangverhalten. Es gibt Hundehalter die bezeichnen dieses Verhalten als „Spiel“. Sie lassen es zu, weil sich ihr Hund da so toll auspowern kann. Dummerweise ist Jagen und sogar die Vorfreude selbstbelohnend. Es löst nämlich euphorische Gefühle bei Meister Bello aus. Wer auf der Hundewiese zulässt, dass der Vierbeiner seine „Freunde“ jagt, darf sich nicht wundern wenn sein Hund das irgendwann auch auf andere Tiere, Menschen oder eben Autos ausdehnt. Noch dazu sind die hormonellen Auswirkungen auf den Hund ähnlich wie bei einer Droge. Der Hormoncocktail aus Adrenalin, Dopamin und Noradrenalin „fährt ein“. Diese bunte Mischung an chemischen Botenstoffen lässt den Hund innerhalb kürzester Zeit ein ganz besonderes Feeling verspüren, nach dem er süchtig wird.

Spielkämpfe haben mehr mit Kommunikation als mit Spiel zu tun

In dieser Interaktion lernen Hunde Kommunikation, Bewegungsabläufe und trainieren die Beißhemmung. Für viele Vierbeiner ist ein Spielkampf eine gute Möglichkeit Beziehungen zu entwickeln und Freundschaften entweder zu etablieren oder zu vertiefen. Dieses „Sozialspiel“ bietet eine perfekte Möglichkeit, von Hund zu Hund zu kommunizieren. In diesem Kontext wird das Spiel eine Art von Sprache. Es hat aber auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Kampfsporttraining. Wer seine Hunde so spielen lässt muss das moderieren und die beteiligten Hunde sollten sich gut kennen und auch mögen. Sonst wird aus dem Training ein Fightclub und möglicherweise eine dauerhafte Feindschaft. Wer seinem Vierbeiner den Spielkampf erlaubt muss Hunde gut lesen können. Denn ein zu früher Abbruch ist schlecht, ein zu später aber auch. Laut Studien spielen Hunde dieses Sozialspiel um soziale Bindungen zu bilden, ihre kognitive Entwicklung zu verbessern, zu üben oder Fähigkeiten für unerwartete Situationen zu erlangen.

Spielkämpfe sind nur etwas für gute Freunde

Spielerisch lernen

In der Pädagogik wird das Spiel auch gezielt als Lernmethode eingesetzt, denn einem Spiel liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde (Stangl, 2022). Das macht man sich auch in der Hundeerziehung zunutze. Spielerisch lernen liegt sogar ziemlich im Trend. Das Spiel wird hier Mittel zum Zweck, der angestrebte Lernerfolg steht im Vordergrund. Spiel(zeug) für den Hund sollte dem Vierbeiner dabei helfen durch spielerisches Lernen Probleme zu lösen, soziale Kontakte zu knüpfen, motorische Fähigkeiten zu üben und seine Kommunikation zu erweitern. Außerdem trainieren Vierbeiner ihre Fähigkeit sich auf unterschiedliche Situationen flexibel einzustellen und neu erlernte Strategien zur Lösung von Problemen auszuprobieren. Auf diese Weise wird ihre Intelligenzleistung gesteigert. Man kann nun streiten wie viel Spiel im LERNspiel steckt, solange man den Hund nicht überfordert und ausreichend belohnt, wir er daran Freude haben.

Überspielen ist kein Spiel

Fühlt sich ein Hund in einer Situation unwohl, gestresst oder sogar gefährdet, wird er eine von vier charakteristischen Verhaltensweisen, den sogenannten „4F’s“, zeigen. Wann welcher Hund welche Option wählt, hängt von seinem Temperament, seinen Erfahrungen und der Situation ab. Fiddle und Flirt werden in der Literatur meist zusammengezogen, sie sind, miteinander kombiniert, eines dieser berühmten 4F’s, und werden häufig als Spiel missinterpretiert. Fiddle ist der Sammelbegriff für Übersprungshandlungen, Flirt ist so etwas wie die „Weiße Fahne“. Meist geht der Hund vorne nach unten und wedelt. Der Hund überspielt sein Unwohlsein, der Hundehalter freut sich dass er spielen will. Wer sich hier „verliest“ tut seinem Hund nichts Gutes. Wenn also ein Hund zum „Kasper“ wird, ist das kein entspanntes Spiel für ihn auch wenn es aus menschlicher Perspektive so aussehen mag.

Manchmal lernt man seinen Hunden einen fatalen Blödsinn

Eine kleine Geschichte dazu: Eine Freundin wurde von einem Dobermann gebissen. Im darauf folgenden Gespräch mit dem Hundehalter stellte sich heraus, dass der mit seinem Vierbeiner „Hosi spielt“. Übersetzt bedeutet das, der Hund hatte gelernt, dass es lustig und erwünscht ist herzhaft in ein Hosenbein zu beißen. Kann man machen aber man darf sich dann nicht darüber wundern, wenn der Vierbeiner das auch bei fremden Menschen tut. In dem Fall wurde Claudia herzhaft in Hose plus Wade gebissen und landete im Krankenhaus. Das Ergebnis war, dass sie für einige Zeit Angst vor Hunden hatte. Der Besitzer blieb uneinsichtig. Aus seiner Perspektive handelte es sich bei „Hosi“ um ein harmloses Spiel, das seinem Hund viel Freude bereitet. Immerhin hat der Hundehalter die kaputte Hose bezahlt.

Bei Zerr-und Beutespielen ist der Kontext wichtig

Wozu hinterfragt man eigentlich den Begriff „Spiel“?

Jeder Begriff hat seine Konnotation. „Spiel“ erzeugt Bilder im Kopf, positive Bilder, der Begriff verleitet dazu sorglos zu werden. Hundehalter die davon ausgehen, dass ihr Hund „ja nur spielt“ und das immer und überall, neigen dazu das real gezeigte Verhalten zu übersehen. Gleichzeitig liegt „Spielen“ im Trend. Es fühlt sich gesellschaftlich nicht gut an einen Hund zu haben der nicht spielt. Diesen Druck soll man nicht unterschätzen. Viele Hundehalter sehen es als ihre Aufgabe dem Vierbeiner so viel Spiel wie möglich zu gönnen. Manche übersehen dabei die echten Bedürfnisse ihres Hundes. Andere wieder glauben, dass wildes Spielen die beste Auslastung sei und wundern sich warum der Hund nie zur Ruhe kommt. Es ist wichtig zu hinterfragen was Spiel ist, wo es anfängt und wo es endet. Immerhin sollten die echten Bedürfnisse des Hundes immer im Vordergrund stehen.

Warum Differenzieren?

Weil gerade beim sogenannten Spiel viele Unfälle passieren. Beißereien oder Mobbing sind auf Hundewiesen nicht selten. Überdrehte Hunde trifft man immer häufiger an. Das sind Symptome für falsch verstandenes Spiel. Wir leben in einer Spiel-und Spaßgesellschaft und das macht auch vor unseren Hunden nicht halt. Aus einem gesellschaftlichen Trend kann ein Druck werden. Spielen weil man es eben tut, spielen um dazuzugehören – daraus entsteht kein sinnvolles und kein entspanntes Spiel. Man überfordert sich selbst und auch den Vierbeiner. Besonders unangenehm ist es wenn Hundehalter andere dazu zwangsverpflichten zu spielen. Das hat ein bisschen etwas von Vergewaltigung. Das ist distanzlos, oft rücksichtslos. Daraus kann kein Spiel entstehen, denn beim Spielen geht es um Freiheit, um Spaß, Lust am Sinnlosen. So etwas passiert spontan oder gar nicht. Wer es erzwingen will, der verdirbt das Spiel bevor es beginnt.

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