Dass Mensch und Hund eine lange Beziehungsgeschichte haben ist unbestritten. Die Erkenntnis, dass die Frau der Schlüssel zu dieser Partnerschaft war ist dagegen relativ neu. Eine Studie aus 2020 liefert die Erkenntnis, dass Frauen einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung des Verhältnisses zwischen Menschen und Hund hatten. Diese Studie haben Wissenschaftler der Washington State University 2020 im „Journal of Ethnobiology“ veröffentlicht. Insgesamt wurden 844 ethnologische Aufzeichnungen von über 144 verschiedene Völker, die noch auf ursprüngliche Art leben, analysiert. Laut dieser Studie war die Beziehung zwischen Frau und Hund der Schlüssel zu dieser Freundschaft zwischen Mensch und Tier.

Die 3 Faktoren des Bindungsprozesses

Die drei Faktoren des Bindungsprozesses zwischen Hund und Mensch sind die Temperatur, das Jagdverhalten der verschiedenen Völker und eben das Geschlecht der Bezugspersonen der Hunde. Letzteres ist eine Überraschung, denn bisher nahm man an, dass sich der Wolf an den Jäger, also den Mann, angeschlossen hatte. Laut Studie war es aber so, dass die Integration des Hundes in die Gesellschaft über die Frauen lief. Je intensiver sich diese mit den Hunden beschäftigten, umso mehr wurde der Hund in das Leben der Menschen einbezogen. Der Nutzen der Hunde ging über die gemeinsame Jagd hinaus. Die Vierbeiner bekamen eigene Namen, durften im Haus schlafen und es wurde um sie getrauert, wenn sie starben.

Wir haben herausgefunden, dass die Beziehung der Hunde zu Frauen einen größeren Einfluss auf die Bindung zwischen Hunden und Menschen hatte als die Beziehung zwischen Hunden und Männern

Jaime Chambers 2020 (Link)

Aus ethnologischer Perspektive ist diese Erkenntnis weniger überraschend, denn in Primärgesellschaften ist es meist die Frau, die für die soziale Integration zuständig ist. Grob gesagt, in vielen ursprünglichen Gesellschaften ist die Frau für das Innere, der Mann für das Äußere verantwortlich. Integration in die Gemeinschaft ist eine Angelegenheit des Inneren. Die Frau bestimmte also wie der Hund in der Gemeinschaft aufgenommen wurde.

Der Hund war mehr als nur Jagdgehilfe

Die Studie erwähnt, neben der Beziehung von Frau und Hund, auch die Faktoren Jagdverhalten und Temperatur. Bei Ersterem muss man sich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in Erinnerung rufen. Der frühe Mensch war Jäger und Sammler der in kleinen mobilen Gemeinschaften durch das Land zog. Erst im Zuge der Neolithischen Revolution wird der Mensch sesshaft und geht von einer aneignenden in eine produktive Gesellschaft über. Vereinfacht, er entwickelt sich vom Jäger zu einem sesshaften Bauern der Vieh züchtet und Ackerbau betreibt, die Jagd aber noch als Nebenerwerb ausübt. Diese Veränderung geht auch am Hund nicht spurlos vorbei. Die Viehzucht bringt schließlich Herdenschutz-und Hütehunde hervor.

Das Klima ist ebenfalls ein Faktor für die Hund-Mensch Beziehung

In der Studie wird der Klimafaktor als „Temperatur“ bezeichnet. Die Wissenschaftler rund um Chambers gehen von der „Betriebstemperatur“ des Hundes aus. Vierbeiner haben eine höhere Körpertemperatur als der Mensch und können kaum schwitzen, sprich abkühlen. In einem heißen Klima können Hunde daher eher überhitzen und sind weniger einsatzfähig. Deshalb sehen die Forscher einen Zusammenhang darin, dass die Hunde für Menschen in kälteren Regionen einen höheren Nutzen hatten und sich daher eher bei Menschen in kälteren Regionen ansiedelten. Diesen Denkansatz könnte man mit der „Thermophor-Theorie“ erweitern. Hunde sind, wie auch Vieh, eine „Heizung“ an kalten Tagen. Während sie in tropischen Ländern eher als Aasfresser und Wachhunde nützlich waren, sind sie in kalten Regionen ein Thermophor auf vier Beinen.

Hunde sind überall, wo Menschen sind

Rund um den Globus lebt der Mensch mit Hunden zusammen. Die Art und Weise wie er mit Hunden lebt ist allerdings regional unterschiedlich. Die Universalie ist die Sache mit Frau und Hund. Bei jeder untersuchten Kultur sind es die Frauen, die für die Beziehungsebene zwischen Zwei-und Vierbeiner verantwortlich sind. Sie bestimmen, wie nahe der Hund dem Menschen kommt. Selbst in den modernen urbanen Gesellschaften sind es überwiegend Frauen, die dem Hund, neben seinem hohen Stellenwert als Partner des Menschen, die Nähe in der Gesellschaft verschaffen.

If we think that dogs are successful as a species if there are lots of them, then they have been able to thrive. They have hitched themselves to us and followed us all over the world. It’s been a very successful relationship

Chambers 2020

Hunde und Menschen haben etwas gemeinsam, sie sind beide Opportunisten. Die Beziehung zwischen Zwei-und Vierbeinern ist eine der gegenseitigen Ausnützung und sie funktioniert ausgesprochen gut. Die Annahme, dass der Mensch den Wolf domestizierte ist überholt. Vermutlich begann die Beziehung zwischen Mensch und und Hund als Kooperation von zwei Spezies. Jeder Kooperationspartner hatte Fähigkeiten die dem anderen nützten. Hund und Mensch konnten im Team mehr erreichen, das war die Motivation eine Beziehung einzugehen.

In sum, we predict that mutual utility and person-status of dogs are positively associated with subsistence hunting.

Studie Dog-Human Coevolution 2020

Die frühen Jäger dürften Hunde als „Partner“ (person-status) gesehen haben. Das bedeutet: Nicht der Mensch alleine bestimmt die Jagd sondern Hund und Mensch entwickeln gemeinsam einen optimalen Modus um ausreichend Beute zu machen. Das ist eine Erklärung für den hohen Status des Jagdhundes in diesen frühen Gesellschaften. Im Zuge der Sesshaftwerdung und der Entwicklung zum Viehzüchter bekommt der Hund einen neuen Job, er schützt oder treibt Herden und bewacht das Haus.

Ein Beispiel aus Ostanatolien

In Ostanatolien leben Kurden als Halbnomaden, sie ziehen mit großen Schafherden von Weide zu Weide. Die Wiederkäuer werden von Herdenschutzhunden, genauer von Kangalen beschützt. Diese großen stattlichen Hunde halten Wölfe und andere Gefahren fern. Sie arbeiten weitgehend selbstständig. Den Status verdienen sich die Hunde durch ihre Arbeit mit dem Vieh, wie nahe sie dem Mensch kommen, das bestimmen die Frauen, denn sie sind für den Wohnbereich zuständig. In den Tausenden Jahren der Hund-Mensch Koevolution waren es vorwiegend Frauen die dem Hund physische Nähe erlaubten und damit die Mensch-Hund Beziehung nachhaltig geprägt haben.

Nähe ist ein wichtiger Bestandteil von Bindung

Sicherheit und Geborgenheit entsteht vor allem im engen Körperkontakt. Je näher der Hund seinem Menschen sein darf umso besser funktioniert die Bindung. Ungarische Wissenschaftler haben in einer Studie herausgefunden, dass die Hund-Mensch-Bindung der Eltern-Kind-Bindung ähnlich ist und zwar auch auf neuronaler Ebene. Im engen Zusammenleben können Vierbeiner zum Beispiel so etwas wie „Eifersucht“ entwickeln. Wiener Kognitionsforscher haben mittels fMRI herausgefunden, dass Hunde „eifersüchtig“ sein können. Reagiert ihr Halter erfreut auf andere Hunde, geraten sie in starke Erregung und Angst um ihre Bindung zu ihm. Die Bindung zum Hund ist sehr ähnlich wie die eines Kindes zu seine Eltern. Zwei-und Vierbeiner haben definitiv so etwas wie eine „Beziehungskiste“

Dogs are made „persons“ by giving them names

Ellen 1999

Außerdem geben wir Hunden einen Namen, wir „personalisieren“ sie, der Hund wird zu einem unverwechselbaren Partner. Die Studie „Dog-Human Coevulation: Cross-Cultural Analysis of Multiple Hypotheses sagt nun, dass wir das bereits seit vielen Tausend Jahren so machen und zwar weltweit. Und sie sagt, dass es vor allem Frau und Hund waren, die dafür den Weg bereitet haben. Diese einzigartige Beziehung zwischen zwei Spezies ist also keine Erfindung der Neuzeit.

Kommentar verfassen