Um die Frage „Muss man Hunde sozialisieren“ zu beantworten sollte man zuerst definieren was man damit eigentlich meint. Der Begriff per se leitet sich vom lateinischen „sociare„‚ also „verbinden“ ab. In diesem Sinne ein klares Ja, natürlich muss man seinen Hund darin unterstützen sich mit seiner Lebewelt zu verbinden. Leider meinen manche Hundehalter wenn sie davon sprechen „Hunde zu sozialisieren“ eigentlich nur häufigen Hundekontakt. In diesem Kontext ein klares Nein, denn wenn man seinen Hund mit den falschen Hunden „verbindet“, darf man sich nicht wundern, wenn er schwierig wird. Sozialisierung kann positive aber auch negative Folgewirkung haben. Wenn der Hund mit den falschen Kumpels abhängt, kann er schnell unerwünschte Verhaltensweisen zeigen. Außerdem kommt es auch auf die Dosis an, zu viel zu schnell, das überfordert den Vierbeiner. Bevor man seinen Hund sozialisiert sollte man sich überlegen was man damit erreichen will. Planlose Hundekontakte gehen schief.

Sozialisierung findet nicht nur zwischen Hunden statt

Was ist Sozialisation?

Es geht um „Sociare“, also mit der Umwelt verbinden und die Umwelt besteht nicht nur aus anderen Hunden. Es ist daher weise von dem Gedanken abzurücken, dass möglichst viele Kontakte mit fremden Hunden einen gut sozialisierten Hund ergeben. Das Gegenteil kann der Fall sein. Wenn der Junghund zum Beispiel gemobbt oder von einem Artgenossen gebissen wird, dann findet auch eine Sozialisierung statt, allerdings keine wünschenswerte. Außerdem bezieht sich Sozialisation nicht nur auf Hundekontakte. Es bedeutet vielmehr seinen Hund mit seiner Lebenswelt in Beziehung zu setzen. Das Betrifft vor allem die Mensch-Hund-Beziehung, denn der wichtigste Sozialpartner des Vierbeiners ist sein Zweibeiner. Umweltreize sind ebenfalls ein wichtiges Thema. Die Art wie man seinen Hund an diese heranführt bestimmt wie er später damit umgeht.

Sozialisieren bedeutet eine Welt erschließen

Was kann Sozialisation?

Der Begriff der Sozialisation ist eng mit der Psychologie oder der Pädagogik verbunden. Gemeint ist der Prozess, in dem ein Individuum lernt, sich in eine Gesellschaft zu integrieren und mit ihr zu interagieren. Das ist so beim Menschen und es ist ähnlich bei Hunden. Es ist übrigens ein lebenslang stattfindender Prozess. Die Persönlichkeit eines Hundes ist nicht statisch. Den „fertigen Hund“ gibt es nicht. Die täglich stattfindenden Interaktionen bestimmten darüber wie sich der Hund entwickelt und zwar lebenslang. Was ein Hundehalter tun kann: Die Interaktionen des Hundes so zu steuern, dass der Vierbeiner vorwiegend „gute“, sprich nützliche, Erfahrungen macht. Je mehr positive Sozialisation stattfindet umso entspannter geht der Hund durch sein Leben.

Sozialisatin findet in jedem Moment statt

Die Du-Evidenz

Wenn es um Sozialisierung geht, die ja vor allem die Mensch-Hund-Beziehung betrifft, dann kommt man an der „Du-Evidenz“ nicht vorbei. Sylvia Greiffenhagen hat die sehr verständlich formuliert: „Mit Du-Evidenz bezeichnet man die Tatsache, dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich beziehungsweise Tiere unter sich kennen.“ Die „Du-Evidenz“ ist die Voraussetzung zur Partnerschaft und sie ist damit auch die Voraussetzung sozialer Mensch-Tier-Beziehungen. Das bedeutet im Kontext mit Sozialisation, dass die Sozialisierung des Hundes mit Menschen und mit seinem persönlichen Zweibeiner im Besonderen extrem wichtig ist.

Bevor das Kind sich selbst kennt als ein Ich, versteht es die Mutter und bald auch den Hund als ein Du

Nietzsche

Das äußere Kennzeichen der „Du-Evidenz“ ist, dass wir unseren Hunden Namen geben. Wir „personalisieren“ den Hund, er wird zu einem unverwechselbaren Individuum. Der Name des Tieres ist Symbol dafür, dass einem Lebewesen ein zunächst beliebiges anderes Lebewesen durch intensive Begegnung zum individuellen, unverwechselbaren und insofern auch unersetzlichen Partner wird. Kinder tun sich mit der „Du-Evidenz“ übrigens leichter als Erwachsene, sie haben weniger Vorbehalte im Kopf. Letztere haben oft Angst das Tier zu vermenschlichen, damit hat die „Du-Evidenz“ allerdings nichts zu tun.

Kinder und Hunde haben eine besondere Nähe

Sozialpartner Mensch

Der Sozialpartner Nummer Eins für den Hund ist der Mensch. Mit ihm verbringt er die meiste Zeit seines Lebens und der Mensch ist sein Partner wenn der Hund mit seiner Umwelt agiert. Wer nun einen Hund hat der Artgenossen nur wenig bis gar nichts abgewinnen kann, muss sich keine Sorgen machen. Der Haushund ist weder Wolf noch Streuner. Daher bringt ihm die Interaktion mit seinem Menschen mehr als die mit Artgenossen. Wölfe im Rudel und Streuner in der Meute kooperieren deshalb miteinander, weil sie so erfolgreicher sind. Mit „Liebe“ hat das wenig zu tun, mehr mit Überlebensstrategie. In der Mensch-Hund-Beziehung ist es der Zweibeiner der für Futter und Sicherheit sorgt, der die Richtung vorgibt und bestimmt wie gemeinsam mit der Umwelt agiert wird. Das macht ihn nicht unbedingt zum „Rudelführer“ aber zum bestimmenden „Teampartner“, denn gute Mensch-Hund-Beziehungen brauchen nur flache Hierarchien und Konsequenz.

Der Mensch ist der wichtigste Sozialpartner des Hundes

Sozialpartner Hund

Wie wichtig der Sozialpartner Hund für den eigenen Vierbeiner ist, das hängt unter anderem auch von der Rasse des Hundes ab. Meutehunde brauchen andere Hunde mehr als Rassen die auf Eigenständigkeit selektiert wurden. Dazu kommt, dass die Kommunikation zwischen manchen Rassen nicht ganz einfach ist. Besonders davon betroffen sind Hunde denen aufgrund von Qualzucht wichtige Kommunikationsmittel fehlen. Klassisches Beispiel wäre dafür der Mops. Keine Rute, keine Schnauze und keine Ohren. Aufgrund der vielen verschiedenen Rassen ist es heute nötig den eigenen Hund bewusst darauf zu sozialisieren, vielleicht besser gesagt, zu desensibilisieren. Das sollte aber nicht mit der Erwartung einhergehen, dass daraus tiefe Freundschaften entstehen. Je ähnlicher sich Hunde per Rasse sind umso besser kommen sie miteinander aus. Denn sie haben selbst die Eigenheit, die vielleicht einen Hund einer konträren Rasse auf die Palme bringt.

Falsche Sozialisierung führt zu Problemhunden

Hunde sozialisieren – dafür sollte man einen Plan haben. Einfach die Leine abmachen und hoffen, dass nichts passiert ist keine gute Strategie. Ein Hund der als Junghund gemobbt oder gebissen wird kann später ein Problemhund werden. Es gibt Lebensphasen in denen sich Erfahrungen, positiv oder negativ, besonders stark manifestieren. Man nennt das die Prägephasen des Hundes. In dieser Zeit sollte der Hund nicht nur an andere Hunde sondern an alles was zu seinem Lebensumfeld gehört herangeführt werden. Viele Hundehalter glauben, dass ihr Vierbeiner in dieser Phase besonders viel Kontakt mit fremden Hunden braucht. Das ist falsch. Qualität sollte immer vor Quantität stehen. Gleichzeitig sollte der Hund lernen, dass er sich auf seinen Zweibeiner verlassen kann. Und – er sollte die Erfahrung machen, dass er mit seinem Menschen tolle Erlebnisse haben kann. Die Sozialisierung auf den Hundehalter ist die wichtigste überhaupt.

Sozialisierung an der Leine ist schwierig

Der „spielende Hund“ ist eine menschliche Vorstellung

Einander fremde Hunde spielen nicht miteinander. Punkt! Die Vorstellung dass Hunde, wenn sie auf der Wiese toben, miteinander „spielen“ ist eine Vermenschlichung des Hundes. Hunde üben oder trainieren miteinander bestimmte Verhaltensweisen. Manchmal mobben sie auch einen Artgenossen oder missbrauchen ihn als Beuteobjekt aber sie „spielen“ nicht. Diese falsche Vorstellung ist in vielen Köpfen fix verankert. Jeder kennt das. Man trifft einen Hundehalter. Der fragt „dürfen sie miteinander spielen“. Man antwortet „Nein“. Dann kommt die Frage „ist Ihr Hund aggressiv“. Man sagt „Nein, Hunde spielen nicht“. Schweigen und Unverständnis sind die Folge dieses Gesprächs. Vor allem Menschen mit Einzelhunden scheinen permanent ein schlechtes Gewissen zu haben. Vielleich Angst, dass ihr Hund zu wenig Kontakt mit anderen Hunden haben könnte. Dabei kommt es nicht auf die Quantität sondern auf die Qualität einer Hundebegegnung an.

Es gibt so viel womit man Hunde beschäftigen kann

Interaktion muss man üben

Wenn man will, dass der eigene Hund lernt wie man mit anderen Hunden interagiert, dann muss man sehr auf das Setting achten. Es empfiehlt sich gemeinsam ein Stück Weg zurückzulegen, an der Leine wohlgemerkt. Wenn die Hunde signalisieren, dass sie sich mögen, dann kann man die Leine los und die Hunde machen lassen. Als Mensch ist man Beobachter, nicht Spielpartner. Merkt man, dass die Stimmung umschlägt, ruft man ab und geht mit angeleinten Hunden weiter. Hundehalter die ihre Hunde einfach machen lassen riskieren, dass der Hund bei seinen Interaktionen Dinge lernt, die sein Verhalten später negativ prägen. Das klassische Beispiel sind Hundehalter die ihre Vierbeiner auf der Hundewiese einfach toben lassen. Meist findet dabei Mobbing statt. Weder ein Mobber noch ein gemobbter Hund sind angenehme Begleiter. Hunde lernen immer aber manchmal eben das Falsche.

Qualität vor Quantität

Hunde sozialisieren beginnt oder endet also nicht beim Hund zu Hund Kontakt

Wer bis hierher gelesen hat sollte nun wissen, dass Hunde sozialisieren wichtig ist aber sich eben nicht auf das Zulassen von Hundekontakten beschränkt. Es ist vielmehr die Herausforderung seinen Vierbeiner eine ganze Welt voller Erfahrungen zu eröffnen. Bevor man das tun kann muss die Mensch-Hund-Beziehung gut funktionieren. Die erste und wichtigste Sozialisation außerhalb der Wurffamilie ist daher jene vom Hund auf seinen Halter. Erst wenn die Vertrauenseben zwischen Zwei-und Vierbeiner hergestellt ist können die Entdeckungen losgehen. Hunde sozialisieren im Sinne von „Ich erschließe Dir eine Welt“ ist gut und nötig. Wer aber Sozialisation auf Hundekontakte reduziert wird es schwer haben eine gute Mensch-Hund-Beziehung zu erreichen. Hunde müssen nicht mit jedem Hund sozial sein aber sie müssen sich in der gemeinsamen Welt zurechtfinden und einordnen können.

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