Als Hundehalter hat man manchmal den Verdacht, dass man, egal was der Hund tut oder nicht tut, immer haftbar ist. Das ist kein gutes Gefühl aber stimmt das? Rechtsanwalt Andreas Strobl sagt „Nein“. Der Fall in Berlin, Hund Buma hat eine Zehe abgebissen, zeigt jedenfalls – nicht immer ist der Hundehalter schuld. Hund und Recht ist etwas womit sich jeder Hundehalter beschäftigen sollte. Denn, nur wenn man seine Rechte und Pflichten kennt kann man entspannt durchs Leben gehen. Im diesem Interview beantwortet Rechtsanwalt Strobl die häufigsten Fragen zum Thema Haftung des Hundehalters.

Wie ist das mit der Haftung des Hundehalters – haften Hundehalter immer?

Wie eingangs erwähnt, als Hundehalter entwickelt man das Gefühl, dass man immer irgendwie in der Haftung steht. Das fühlt sich nicht gut an. Aber ist das wirklich so? Sind Hundehalter immer haftbar? Mag. Andreas Strobl antwortet, angesprochen auf die Haftung des Hundehalters, mit Nein. Er sagt: „Das wäre viel zu allgemein. Eine Haftung, wenn wir vom Zivilrecht reden, gibt es immer nur, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese sind: 1. Es muss einen Schaden geben. 2. Der Hundehalter muss diesen verursacht haben. 3. Das Verhalten des Hundehalters muss rechtswidrig gewesen sein. 4. Den Hundehalter muss ein Verschulden treffen.“

Wenn ein Hund einen Menschen verletzt – wie sieht es mit der Haftung des Hundehalters aus?

Vor Gericht ist ein Hund niemals „schuldfähig“, es ist immer der Mensch, der zur Verantwortung gezogen wird. Auch ethisch-moralisch ist ein Vierbeiner nie „schuldig“, denn ein Tier handelt entsprechend seiner Instinkte und seiner Erziehung. Für die Instinkte kann der Hundehalter nichts aber er muss sie kennen. Für die Erziehung dagegen ist er voll verantwortlich. Wenn ein Hund einen Menschen verletzt, dann ist immer ein Mensch dafür verantwortlich und damit auch haftbar.

Mag. Andreas Strobl: Wenn, dann (haftet) natürlich der Mensch. Komplex wird es, wenn nicht der Eigentümer des Hundes dabei ist, wenn der Hund einen Schaden verursacht sondern eine andere Person. Der Eigentümer wird grundsätzlich der Hundehalter, oder wie es das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) nennt, der „Tierhalter“ (es gibt eine generelle Tierhalterhaftung – nicht explizit eine für Hundehalter) sein. Tierhalter ist, wer über die Verwahrung des Tieres entscheidet, also die tatsächliche Verfügungsgewalt hat und auch die Kosten für den Unterhalt trägt. Dies muss aber nicht der Eigentümer sein. Den Tierhalter trifft eine spezielle Haftung, die sogenannte Tierhalterhaftung. Diese geht mit einer Beweislastumkehr (Haftungsverschärfung) einher.

Die Beweislastumkehr ist eine Ausnahme von dem rechtlichen Grundsatz, dass grundsätzlich jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt

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Wir wissen nun, dass die Tierhalterhaftung mit einer Beweislastumkehr einher geht. Warum das so ist erklärt Mag. Andreas Strobl folgendermaßen: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass von einem Hund typische Gefahren ausgehen – zum Beispiel ein Hundebiss. Deswegen die Beweislastumkehr: Der Halter muss beweisen, dass er die nötige Sorgfalt eingehalten hat.

Ein Fallbeispiel aus Wien

Im Sommer 2021 hatte ein Chowchow ein Kind gebissen. Der Hund war im Gemeinschaftsgarten eines Mehrparteienhauses angepflockt. Der Hundebesitzer war nicht vor Ort. Die Mutter des Besitzers hatte die Aufsichtspflicht für den Hund übernommen. Die Frau befand sich nicht im direkten Einflussbereich als sich das Kind dem Hund näherte. Der Hund biss zu, das Kind wurde verletzt. Wenn es um Bissvorfälle gegen Kinder geht, dann ist das meist ein besonders sensibles Thema – obwohl: Kinder sind vom Gesetzgeber nicht besonders geschützt. Das mag in der öffentlichen Wahrnehmung anders sein aber auch wenn Kinder vom Vertrauensgrundsatz ausgenommen sind, genießen sie juristisch keinen besonderen Schutz, wenn es zum Beispiel um Hundebisse geht.

Mag.Andreas Strobl: Ohne die näheren Umstände zu kennen, wird hier der Hundehalter haften. Das dürfte die Mutter des Eigentümers sein, denn sie hatte die Verfügungsgewalt über den Hund als dieser biss. Bezüglich der Aufsichtspflicht der Eltern ergänzt Rechtsanwalt Strobl: Grundsätzlich trifft die vom Gesetz vorgesehene Aufsichtspflicht der Eltern (präziser der Aufsichtsperson) erst dann zu, wenn von der minderjährigen (deliktsunfähigen) Person, hier dem Kind, ein Schaden verursacht wird – nicht, wenn es geschädigt wird. Hier käme allenfalls Mitverschulden in Betracht, wenn die Eltern (oder die Aufsichtsperson) dementsprechend sorglos das Kind zum Hund ließen.

Auf welchen Rechtsebenen wird der Hundehalter eigentlich belangt?

Mag. Andreas Strobl: Die Konsequenzen können sich in folgenden Rechtsgebieten ergeben: Strafrecht, Zivilrecht (Schadenersatzrecht), Verwaltungsstrafrecht (Hundehaltung) und auch im Verwaltungsrecht (Abnahme des Hundes).

Hund und Katze sind nicht immer „beste Freunde“

In einem anderen Fall war ein Hund in einen fremden Garten eingedrungen und hatte eine Katze getötet. Die Frage die sich stellt: Wie sieht es hier mit der Haftung des Hundehalters aus? Welche Haftung ergibt sich für ihn? Welche Konsequenzen für den Hund? In solchen Fällen, so sie angezeigt werden, wird oft eine Wesensüberprüfung für den Hund angeordnet. Fällt er bei diesem Test durch, dann können Auflagen verhängt werden. In besonders extremen Fällen kommt es zu einer Abnahme des Hundes. Es geht laut Rechtsanwalt Strobel dabei um die Gefährlichkeit des Hundes. Das heißt, es soll für die Zukunft eine Art Gefährdungsprognose abgegeben werden, ob und wenn ja, inwieweit von dem Hund eine größere Gefahr ausgeht. Dementsprechend hat sich das Verhalten des Hundehalters zu bestimmen.

Bei Tieren wird das Sachrecht angewandt weil auf das Tier nicht der Begriff des Menschen passt. Der Gesetzgeber unterscheidet nur zwischen Sachen und Menschen. Ein verletztes oder getötetes Tier ist „Sachbeschädigung“

Mag. Andreas Strobl

Mag. Andreas Strobl: Zivilrechtlich steht Schadenersatz (die Kosten der Katze sind dem Eigentümer zu ersetzen) zu. Verwaltungsrechtlich (verwaltungsstrafrechtlich) wird es Verwaltungsstrafen geben und vielleicht sogar die Abnahme des Hundes. Tiere sind im juristischen Sinn zwar keine „Sache“ es werden jedoch die für Sachen geltenden Vorschriften auf sie angewendet. Dies mit folgender Ausnahme – betreffend den Schadenersatz: Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.

Was passiert wenn die Katze „zurückhaut“ also den Hund ebenfalls verletzt?

Mag. Andreas Strobl: Grundsätzlich ja. Auch der Katzenbesitzer haftet. Denn, wie bereits oben erwähnt, sieht das Gesetz generell eine Tierhalterhaftung und keine Hunde- oder Katzen- oder Kuh-Halter-Haftung vor. Der geschilderte Fall ist zwar höchst ungewöhnlich, aus verschiedenen Gründen auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, aber rechtlich selbstverständlich denkbar. Hinsichtlich Katzen sei noch gesagt: Diese sind relativ mehr Wildtiere als Hunde, auch wenn sie dementsprechend domestiziert sind, daher jagen sie auch mehr. Dies ermöglicht umgekehrt diesen Umstand zu bekämpfen. Ich meine, es werden von Jägern auch mehr Katzen geschossen als Hunde. Katzenbesitzer, die ihre Katzen frei laufen lassen, sind besonders verantwortungslos, da Katzen ja nicht nur Mäuse sondern auch andere, sehr nützliche Tiere, jagen (zB Vögel).

Wie teuer kann eine Haftung werden?

Spannend ist natürlich auch die Frage: Wie hoch sind die Strafen, die einen Hundehalter treffen können? Aus der Haftung des Hundehalters entstehen im Schadensfall Kosten für den Mensch mit Hund. Es kann also, besonders ohne Versicherungsschutz, teuer werden. In manchen Fällen können die Kosten die Existenz bedrohen. Hundehalter sollten daher das Thema Haftung nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Ich würde jedem Hunde- und generell jedem Tierhalter eine Rechtsschutz- und vor allem auch eine Haftpflichtversicherung dringend raten und zwar eine die auch alle Kosten übernimmt

Mag. Andreas Strobl

Mag. Andreas Strobl: Das kommt auf die verletzte Norm an. Durchaus aber sind Verwaltungsstrafen bis zu zirka 30.000 Euro möglich. – Diese Strafen sind nicht mit dem allfälligen Schadenersatz zu verwechseln: Ein solcher bemisst sich ja nach der Höhe des Schadens, den das Tier (Hund) angerichtet hat. Denken Sie nur an einen Verkehrsunfall eines Kfz durch den mehrere Personen schwer verletzt oder getötet werden und den ein freilaufender Hund verursacht hat. – Das kann für den Hundehalter existenzvernichtend sein. Wie teuer der Gang vor Gericht ist, das kommt auf den verursachten Schaden an. Eine schriftliche Stellungnahme oder Entgegnung ist ebenfalls nicht gratis. Wie teuer – Das kommt auf die Kostenstruktur des Rechtsanwaltes an. Jedenfalls sollte mit ein paar Hundert Euro gerechnet werden – je nach Zeitaufwand.

Warum ist der Gesetzgeber so streng mit Hundehaltern?

Die Hundegesetzgebung im DACH Raum ist nicht Bundes sondern Ländersache. Die Strenge der Gesetze ist daher unterschiedlich. Manche Bundesländer geben Hundehaltern einen großen Handlungsspielraum, andere wieder reglementieren alles. Wenn es aber um die Haftung des Hundehalters geht, dann sind die Konsequenzen recht ähnlich. Wenn etwas passiert, dann wird es teuer. Manchmal bekommt der Hund Auflagen und selten aber doch, wird der Vierbeiner sogar abgenommen. Das sind keine erfreulichen Aussichten. Auf die Frage, warum der Gesetzgeber streng ist und ob das nicht auch den einen oder anderen Hundehalter in die Flucht schlägt, antwortet Rechtsanwalt Strobl:

Mag. Andreas Strobl: Ist er (Anm: der Gesetzgeber) ja nicht explizit. (Anm. streng mit Hundehaltern) Sondern es ist für jedes Tier, dass jemand hält, gleich zu haften. In der Praxis spielt die Haftung von Hundehaltern jedoch quantitativ die bedeutendste Rolle. Ob Flucht eine „gute“ Exitstrategie ist? Das kommt darauf an. Menschlich, psychologisch ist das Verhalten verständlich. Im Grunde ist es jedoch asozial und verantwortungslos. Und wenn der flüchtende Hundehalter ausgeforscht werden kann, ist das natürlich nicht von Vorteil.

5 Tipps vom Profi

  • 1. Gut versichern: Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherung abschließen.
  • 2. Den Umgang mit seinem Hund akribisch und unter größter Sorgfalt sukzessive erlernen!
  • 3. Seinen Hund immer mit größter Umsicht (Sorgfalt) verwahren. Einen Hund auszuführen ist kein Traummännlein-Spaziergang sondern forderndes 360-Grad-Rundherum-Beobachten und rechtzeitig reagieren.
  • 4. Nach einem Vorfall sofort einen Rechtsanwalt, der auf diesen Rechtsgebieten (Tierhalterrecht, Schadenersatzrecht, Strafrecht, Verwaltungs- und Verwaltungsstrafrecht) spezialisiert ist, kontaktieren.
  • 5. Meldung bei der Versicherung machen.

Endlich ein Fall wo der Hund nichts dafür kann

In Berlin hat kürzlich ein Hund einem Mann die Zehe abgebissen (siehe Artikel). Amtstierarzt Steffen Mehl begutachtet den Hund und erklärt ihn für „nicht aggressiv“. Der Hund habe quasi in „Notwehr“ gehandelt, Steve S. der den Hund getreten hat sei selbst für seinen Schaden verantwortlich. Auch Rechtsanwalt Strobl sieht das ähnlich. Der Mann, der den Hund getreten hat und nun eine Zehe vermisst, hat keinen Anspruch auf Schadenersatz. Die Hundehalter sind nicht haftbar zu machen. Der Tatort variiert je nach Quelle. Laut erster Polizeimeldung soll der Vorfall im Flur passiert sein. Eine spätere Recherche der BILD Zeitung nennt den Balkon der Wohnung als jenen Ort an dem das Unglück seinen Lauf nahm. In beiden Versionen tritt Steve S. auf Buma ein, was der Vierbeiner mit einem Biss quittiert. Die Zehe ist ab und bisher verschwunden. In einem Kurzinterview beantwortet Mag. Andreas Strobl wie der Fall juristisch einzuordnen ist.

DOGnews: Wer ist haftbar im Fall der abgebissenen Zehe?

Mag. Andreas Strobl: Im konkreten Fall, meine ich, wird niemand zur Schadenersatzleistung für die abgetrennte Zehe verpflichtet werden.

DOGnews. Was muss ein Hundehalter in so einer Situation tun um frei von Haftung zu bleiben?

Mag. Andreas Strobl: Der Hundehalter (Eigentümer) scheint nicht vor Ort gewesen zu sein. Jedoch hat auch der, der vor Ort die Verantwortung (Aufsicht) über den Hund hatte, alles richtig gemacht: Er hatte den Hund nach dem ersten Vorfall separiert.

DOGnews: Kann Steve S. Schadenersatz einklagen?

Mag. Andreas Strobl: Können kann man immer. Er wird meines Erachtens bloß nichts erhalten.

DOGnews: Ist Steve S. selbst verantwortlich für den Unfall?

Mag. Andreas Strobl: Was heißt verantwortlich? Der hat einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz begangen, indem er einen, man möchte sagen wehrlosen, Hund getreten hat. Der Hund hatte keine Möglichkeit die Flucht zu ergreifen, da er sich auf einem Balkon befand. Die einzige Chance des Hundes sich vor weiteren Übergriffen zu retten, war ein Biss. Also das sollte zu einer kompletten Haftungsbefreiung für jeden erdenklichen Hundehalter führen. Das ist schlicht, die eigene Schuld des Steve S (Treter).

Wer Rechtsanwalt Mag. Andreas Strobl kontaktieren will:

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