WARUM KAUFT MAN QUALZUCHT?

Eine der großen Fragen der Hundewelt ist die Frage: „Warum kaufen Menschen Hunde, die aufgrund von (Qual)Zucht, lebenslang mit Einschränkungen leben müssen“? Zwei Studien setzten sich mit diesem Thema auseinander.

Mops&CO liegen im „Trend“, sie sind Statussymbol und sie werden als „putzig“ empfunden, nicht zuletzt sind sie eine Möglichkeit „Individualität“ zu spiegeln. Bei der Anschaffung mag auch die Überzeugung, einen „ungefährlichen“, sich quasi „selbsterziehenden“ Hund zu bekommen, eine Rolle spielen. Beide Studien zeigen jedenfalls, dass die Beziehung bei brachyzephalen Hunden zwischen Hund und Mensch besonders stark ist und dass sich die Besitzer den Tieren sehr emotional verbunden fühlen. Dies ist bei weiblichen Mopsbesitzerinnen ohne Kinder am stärksten ausgeprägt.

Popularität von Qualzuchten nimmt stetig zu

Die Studien zeigen außerdem, wie eng die Beziehung von Besitzern zu ihren brachyzephalen Hunden ist. Ihre Beliebtheit wächst, trotz lokalen Verboten und verbreiteten Wissens über Qualzucht sowie deren Probleme.

Ralph Rückert schreibt auf seinem Tierarztblog: „Auf Platz 5 der Tasso-Statistik finden wir die Französische Bulldogge mit 11203 Neuanmeldungen. Der grauenhafte Trend, mit einer der schlimmsten Qualzuchtrassen aller Zeiten an der Leine durch die Gegend zu laufen, ist also leider ungebrochen. Diese Tatsache wird in ihrer Dramatik allenfalls dadurch übertroffen, dass diesen 11203 Neuanmeldungen gerade mal 154 (1,37 Prozent!) offiziell bei VDH-Züchtern geborene Frenchie-Welpen gegenüberstehen.“

Die meisten Qualzuchten kommen heute nicht mehr von Züchtern, die unter den großen Verbänden züchten, sie kommen von Vermehrern und Dissidenzzüchtern. Letztere weisen gerne darauf hin, dass sie viel für eine positive Veränderung der betroffenen Rassen tun würden, leider sind keine großen Erfolge erkennbar. Die Hunde bedienen noch immer das „Kindchenschema“, welches sie bei ihren Fans so beliebt macht.

DAS KINDCHENSCHEMA

Großer Kopf mit hoher Stirn, runde Wangen, große Augen, kurze dicke Gliedmaßen und unbeholfene Bewegungen − all dies sind Merkmale des Kindchenschemas, das bereits Konrad Lorenz beschrieb und das bei vielen Menschen das Bedürfnis auslöst, Fürsorge zu übernehmen. Nicht nur Babys, auch brachyzephale Rassen wie der Mops, oder die französische Bulldogge bringen diese Eigenschaften mit und behalten sie,im Gegensatz zu heranwachsenden Menschenkindern, ein Leben lang, was sie zu sehr beliebten Hunden macht. Mops und französische Bulldogge kauft man nicht, weil man einen aktiven Begleiter haben möchte oder besonders viel Wert auf einen gesunden, bewegungsfreudigen Hund legt, man kauf sie aus anderen Gründen.

Dass dieses häufig als putzig oder witzig empfundene Aussehen viele gesundheitliche Probleme mit sich bringt, hält die Fans dieser Hunde nicht davon ab, solche Rassen anzuschaffen. Im Gegenteil: Umfragen zeigen, dass die Popularität brachyzephaler Hunde stetig zunimmt. So ergab eine Statistik des Deutschen Kennel-Clubs, dass die Anzahl der Mopswelpen seit 2002 um 95 Prozent und die von Bulldoggen um 144 Prozent zugenommen hat − trotz steigender Bemühungen von tierärztlicher Seite, über die gesundheitlichen Probleme und Qualzucht zu informieren.

Warum eigentlich – auf der Suche nach Antworten

Zwei aktuelle Studien haben groß angelegte Befragungen durchgeführt, wobei Studie A nur Besitzer von Möpsen und Bulldoggen (englische und französische) adressierte, während Studie B sowohl für Hunde- sowie Nicht-Hundehalter offen war. Die Fragebögen wurden über den Kennel-Club und Social Media verbreitet, um Antworten unter anderem auf folgende Fragen zu bekommen:

Können Tierbesitzer mit dem Begriff Qualzucht etwas anfangen?

Wie definieren sie diesen Begriff?

Welche Probleme fallen ihnen bei ihren Hunden auf und wie schätzen sie diese ein?

Die Ergebnisse der beiden Studien führen zu ähnlichen Erkenntnissen, obwohl die beiden befragten Gruppen unterschiedlich angelegt sind.

Wissen Tierhalter, was Qualzucht ist (Studie B)?

Die Hälfte der Befragten aus Studie B konnte mit dem Begriff Qualzucht etwas anfangen (vor allem ältere Leute, Frauen und Hundebesitzer); zwei Drittel konnten ihn auch richtig definieren. Am häufigsten nannten sie platte Nasen und Kurzbeinigkeit als typische Merkmale für Qualzucht. 15 Prozent verstanden unter Qualzucht die Bedingungen, unter denen die Tiere aufwachsen und leben müssen (z. B. fehlende Sozialisation von Welpen, Hündinnen als „Wurfmaschinen“).

Mit welchen Krankheiten sahen sich die Hundebesitzer brachyzephaler Rassen konfrontiert (Studie A)?

Die häufigsten gesundheitlichen Probleme der Tiere sind laut Besitzerangaben Allergien, Kornealulzera, Hautinfektionen sowie BOAS (= Brachycephalic obstructive airway syndrome).

Ein Fünftel der über 2.000 befragten Besitzer beantworteten positiv, dass ihr Hund bereits eine Operation durchlaufen hat. 36,5 Prozent der Hunde haben nach Besitzerangaben Probleme mit der Wärmeregulation, 17,9 Prozent Schwierigkeiten zu atmen.

Wie schätzen Besitzer die Lebensqualität brachyzephaler Rassen ein (Studie A+B)?

Trotz der Beschreibung zahlreicher gesundheitlicher Probleme schätzen 70 Prozent der Hundebesitzer die Gesundheit ihres Tieres als gut ein. Klinische Symptome werden als „normal für die Rasse“ gesehen. Es wird nicht angenommen, dass sie negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Tiere haben. Viele Hundebesitzer scheinen die Atemprobleme ihrer Hunde nicht als solche erkennen. Sie glauben allerdings, dass Züchtern mehr am Äußeren als an der Gesundheit und Persönlichkeit der Tiere gelegen ist und dass die derzeitigen Zuchtstandards nicht zur Vitalität der Hunde beitragen.

GETRÜBTES VERHÄLTNIS ZUR REALITÄT

Instinktiv dürften die Halter von Mops&CO zwar erkennen, dass „etwas nicht in Ordnung“ ist, sie sehen aber nicht die rassespezifischen Eigenschaften als Problem, sondern den Züchter, der ihrer Meinung nach,mehr für die Gesundheit der Tiere tun könne. Das scheint übrigens auch für die Halter von „Zwergrassen“ ( zB. Chiwawa, Toypudel) zuzutreffen.

Neben den (negativen) gesundheitlichen Aspekten gibt es für Möpse und Bulldoggen noch ein weiteres Problem. Aufgrund der fehlenden Rute und der übermäßigen Falten haben sie große Probleme mit Artgenossen zu kommunizieren. Ihnen fehlen wesentliche Ausdrucksmöglichkeiten in der caniden Kommunikation. Diese Tatsache taucht in den beiden Studien nicht auf, man kann aber davon ausgehen, dass dieser Umstand nur wenigen Hundehaltern, die diese Rassen führen, bewusst ist.

FAZIT

Es ist zu unterstellen, dass das begehrte „Kindchenschema“ alle Vorbehalte überlagert und das ausschlaggebende Kriterium ist, einen solchen Hund anzuschaffen. Eine realistische Wahrnehmung der, mit dieser Qualzucht einhergehenden, gesundheitlichen Probleme, wird ebenso ausgeblendet, wie die Tatsache, dass diese Hunde nur eingeschränkt mit anderen Vierbeinern interagieren können. Die Hunde werden augenscheinlich billig angeschafft aber die späteren Folgekosten werden in Kauf genommen. Das weist darauf hin, dass der Faktor „Versorgen“ eine wichtige Rolle spielt. Die Halter dieser Rassen müssen sich, aufgrund der Qualzucht, extrem um ihre Hunde „kümmern“. Im Umkehrschluss kann man sagen, diese Hunde „brauchen“ ihren Besitzer „mehr“. Der Wunsch „gebraucht zu werden“ dürfte bei der Haltung von Mops&CO große Bedeutung haben.

Sehr vereinfacht und überspitzt gesagt: Der Mensch erschafft sich einen Krüppel um sich dann um ihn zu kümmern und mit ihm in einer eigenen Welt zu leben.