Empathie wird gerne eingefordert, besonders dann, wenn sie bequem ist. Das Einfühlungsvermögen also die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken und Motive einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden, ist zweifelsohne eine gute Eigenschaft. Wird diese aber eingefordert um eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen, dann hakt es. Es gibt Hundehalter die fordern Empathie dann ein, wenn sie wissen, dass sie einen Fehler gemacht haben aber diesen entschuldigt haben wollen. Übersetzt bedeutet das meist: „Mein Hund und ich haben Vorfahrt, passen Sie sich gefälligst an, seien Sie doch empathisch“. Das überstrapaziert das Einfühlungsvermögen der meisten Betroffenen, die Empathie schlägt dann in ihr Gegenteil, die Ekpathie, um. Das wiederum bedeutet emotional nicht zu sehr auf andere einzugehen oder sich nicht von ihnen manipulieren und ausnutzen zu lassen. Ekpathie ist ein guter Schutz gegen toxische Menschen.

Zuviel Empathie ist ungesund

Seien Sie doch empathisch

Eine junge Frau will die Straßenbahn noch erreichen. In Öffentlichen Verkehrsmitteln ist Maulkorb-und Leinenpflicht. Es ist aber knapp also schickt sie ihren großen brauen Mischling ohne Maulkorb in die Bim vor und springt hinterher. Dummerweise befinden sich unmittelbar beim Eingang zwei, ebenfalls große, Hunde. Zum Glück von Mix und Frau sind diese mit Maulkorb versehen, denn die Hunde stehen kurzfristig Schnauze an Schnauze. Auf den Vorwurf, dass diese Handlung unverantwortlich sei und ein Maulkorb Pflicht antwortet die junge Frau mit: „Seien Sie doch empathisch“. Ihr ist klar, dass sie einen Fehler gemacht hat, vielleicht ist ihr auch klar, dass das für ihren Hund nicht ganz ungefährlich war. Trotzdem fordert sie Empathie, in dem Fall Verständnis für ihr (doofes) Handeln, ein. Sie zerrt ihren Hund durch die Straßenbahn, findet einen Platz, zieht dem Hund endlich einen Maulkorb an und zeigt den Mittelfinger. Vermutlich fühlt sie sich gut dabei.

Es gibt in einem anderen Menschen nichts, was es nicht auch in mir gibt. Dies ist die einzige Grundlage für das Verstehen der Menschen untereinander

Erich Fromm

Dass aus Hektik und Wunsch Fehler entstehen wissen wir alle. Die Frage ist: Wie geht man mit so einem Fehler um? Lernt man daraus? Kann man sich dafür entschuldigen? Wird man es in Zukunft besser machen? Wenn man für die eigenen Fehler Empathie einfordert, dann vermutlich nicht. Die Forderung jedwegen Fehler zu akzeptieren oder mindestens zu tolerieren ist eine ungesunde Lebenseinstellung. Die Hundehalterin hatte Glück. Sie ist auf ein jemand gestoßen der ekpathisch reagiert hat. Lautstarke Kritik ist unbequem aber manchmal setzt sie einen Lernprozess in Gang.

Seien Sie doch empathisch

Toxische Menschen fordern Empathie für Fehler

Der Begriff der toxischen Persönlichkeit ist ein populärwissenschaftlicher Terminus der aktuell „hip“ ist. Die „Giftigkeit“ eines Menschen definiert sich durch seine Lebenshaltung, seine Werte und seinen praktischen Umgang mit seinen Mitmenschen. Toxische Menschen verhalten sich oft grenzüberschreitend und übergriffig (Stangl, 2022). Sie stellen ihre eigenen Bedürfnisse über jene von anderen Menschen. Zum Beispiel Hundehalter mit TutNix tun das. Jeder kennt die klassische Begegnung mit so einem „giftigen“ Zeitgenossen: Nicht angeleinter Hund nähert sich im Schweinsgalopp, man ruft bitte abrufen, der Hundehalter antwortet „der tut nix“. Dann kracht der Hund, der eine ähnliche Vorstellung von Distanz hat wie sein Zweibeiner, in den eigenen Hund hinein. Wird man von den Füßen geputzt oder trägt der eigene Hund ein paar Löcher davon, kommt ganz sicher das berühmte „das hat er noch nie getan“. Die besonders giftigen Zeitgenossen fragen dann noch: „Ist Ihr Hund etwa gefährlich“?

Wer um des lieben Friedens willen alles schluckt, vergiftet sich, erzieht andere zur Rücksichtslosigkeit.

Else Pannek, Dichterin aus Hamburg (1932-2010)

Praktisch passiert in dem Tut-Nix-Beispiel eine Verletzung der persönlichen Distanz. In Kauf genommen wird die Verletzung eines Hundes oder auch die seines Menschen. Das ist rücksichtslos. Die Täter-Opfer-Umkehr am Ende ist besonders fies. Der toxische Mensch nimmt das in Kauf, denn für ihn steht seine persönliche Freiheit an erster Stelle. Der oder die Betroffene muss das nicht tolerieren. Empathie hat ihre Grenzen. Man kann auch ekpathisch reagieren und Kritik äußern. Niemand muss sich in dieses Verhalten hineinfühlen oder es verstehen. Kritik wirkt befreiend und vielleicht bewirkt sie ein Umdenken beim Gegenüber.

Man muss nicht jede Annäherung gut finden

Wer Empathie fordert sollte selbst emphatisch sein

Toxische Menschen sind selten empathisch, sie nützen Empathie wenn es in ihr Konzept passt und sie fordern sie gerne ein. Man muss sich darauf nicht einlassen. Außerdem – Empathie und Ekpathie schließen einander nicht aus, sie ergänzen sich sogar. Wer erkennt, wann Empathie und wann das Gegenteil von Empathie angebracht ist, kann mit beschriebenen Situationen besser umgehen und beschützt damit sich selbst und auch seine Mitmenschen. Denn wenn Herrchen oder Frauchen TutNix immer mit ihrem Verhalten durchkommen, dann werden sie irgendwann Beteiligte eines Unfalls sein. Wenn man also jemand begegnet der Empathie für sein Fehlverhalten einfordert, dann sollte man sich die Frage stellen ob dieser Mensch empathisch handelt oder nicht vielleicht doch eher toxisch.

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