Herdenschutzhunde gibt es seit tausenden von Jahren, sie sind für Viehzüchter und Hirten eine Selbstverständlichkeit aber aktuell scheinen sie in Europa häufig mit der Freizeitindustrie in Konflikt zu geraten. In Der Schweiz wird über ihre Präsenz gestritten, angeblich schaden sie dem Tourismus. Es stellt sich die Frage: sind Herdenschutzhunde zeitgemäß?
Wie lange gibt es die „Herdenschützer“ schon?
So ganz genau weiß man das nicht aber es gibt Hinweise, dass Hunde seit etwa 4.000 Jahren auf Viehherden aufpassen. Mirjam Eisank nennt in ihrer Arbeit „Herdenschutzhunde im Dienst“ zwei mögliche Ursprungsgebiete: Tibet und das alte Assyrien in Mesopotamien. Noch heute sind in den großen Steppen Schafherden mit Herdenschutzhunden unterwegs. Die Römer dürften die Herdenschutzhunde vor etwa 2.000 Jahren nach Europa gebracht haben. Seither hat man diese Hunde durch Zucht weiter entwickelt und verändert. Die bekannten Rassen, wie der Kangal, der Pyrenäenberghund, Kuvasz oder Owtscharka sind relativ junge Rassen, sie entstanden erst im 19.und 20.Jahrhundert.
Das Problem mit dem Platz
In Europa ist es eng geworden, seit die Römer den Herdenschutzhund nach Europa brachten hat sich die Einwohnerzahl des Kontinents vervielfacht. Laut Statista sollen sich im römischen Europa etwa dreiundzwanzig Millionen Menschen herumgetrieben haben, 2020 sind es laut „Countrymeters“ ungefähr siebenhundertfünfzig Millionen. Das bedeutet auch weniger Platz für Weidevieh und Hunde. Viele Weidegebiete liegen heute nahe an urbanen Gebieten und sind zu beliebten Ausflugszielen geworden. Daraus entsteht ein Konflikt, die unfreundlichen Begegnungen zwischen Herdenschutzhunden und Ausflüglern lassen sich auf ein Platzproblem zurückführen. Die Frage ist: wenn der Platz immer weniger wird – sind Herdenschutzhunde zeitgemäß oder werden sie zu einem Auslaufmodell?
Das Problem Herdenschutzhund am Beispiel des Kanton Luzern
Auf der der Unteralp in Andermatt gab es Vorfälle mit Herdenschutzhunden. Eine Interessengemeinschaft wollte daher die Vierbeiner im Urserntal generell verbieten. Das hat nicht geklappt. Herdenschutzhunde, meistens sind es Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde, haben den Auftrag, Nutztiere vor dem Wolf zu schützen. Im vergangenen Alpsommer standen knapp 300 Herdenschutzhunde aus dem Bundesprogramm im Einsatz. Sie bewachten 48’000 Schafe, 1500 Ziegen und 500 Rinder, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf Anfrage mitteilt. Das schreibt die Luzerner Zeitung, die diese Auseinandersetzung in Form von mehreren Artikeln dokumentierte. Das Problem im Urserntal ist die Nutzung des Gebietes. Einerseits sollen dort Schafe weiden anderseits verkauft der Tourismus das Tal als Wandergebiet.
Diese Hunde sind „Waffen“
Herdenschutzhunde sind große eindrucksvolle Hunde mit denen man sich nicht gerne anlegt. Sie sehen zwar aus wie große Teddybären aber sie nehmen ihren Job, den Schutz ihrer Herde, sehr ernst und verteidigen sie nicht nur gegen Wölfe und Bären. Touristen die sich in ihrem Territorium falsch benehmen können ebenfalls in den Fokus dieser Vierbeiner kommen. Auf der Seite „herdenschutz.ch“ kann man nachlesen, was man besser unterlassen sollte, wenn man in das Territorium einer gut bewachten Viehherde eindringt. Diese Hunde deshalb als „Waffen“ zu bezeichnen ist trotzdem falsch. Dieser martialische Begriff gibt nicht das Wesen des Herdenschutzhundes wieder. Er ist keine „Waffe“, er ist eher ein Zaun auf vier Beinen, den man nicht übersteigen sollte.
Sie wurden ursprünglich dazu gezüchtet und gehalten, um Herden von Nutztieren gegen Bären, Wölfe, streunende Hunde auch gegen Viehdiebe zu schützen. Herdenschutzhunde sind keine Treibhunde, für diese Nutzungseignung gibt es andere, kleinere und wendigere Rassen. Herdenschutzhunde sollen Angreifer melden und ggf. verscheuchen, sie jedoch nicht angreifen. Würden sie angreifen, wäre damit der Schutz der Herde nicht geleistet, da diese dann allein zurückbleiben würde.
Dr. Dorit Urd Feddeersen-Petersen Kiel 2000
Ist in Europa noch Platz für Herdenschutzhunde?
Die freien Flächen werden weniger, der Tourismus hat die Natur entdeckt und Wanderer dringen in Gebiete ein die früher Schaf-und Ziegenherden vorbehalten waren. Daraus ergeben sich Konflikte und diese werden aktuell auf dem Rücken der Herdenschutzhunde ausgetragen. Diese, teils alten, Gebrauchshunderassen brauchen Platz. Ein Herdenschutzhunde, auch wenn er wie ein Teddybär aussieht, ist kein Hund für die Couch und hat im urbanen Gebiet eigentlich nichts zu suchen. Nicht weil er besonders gefährlich wäre sondern weil er viel Freiraum und eine Aufgabe braucht. Stellt man die Frage: sind Herdenschutzhunde noch zeitgemäß dann ist die Antwort: nur dann, wenn der Mensch ihnen Raum gibt. Es ist keine Lösung diese Hunde auf die Couch zu verbannen. Sie haben nur dann einen Platz in der modernen Gesellschaft Europas wenn der Mensch darauf verzichtet in jede Ecke der freien Natur vorzudringen.