Auch in Irland verändert sich der Zugang zum Hund, denn es gibt mehr Hunde und der Mensch lebt enger mit seinem Vierbeiner zusammen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Hundebisse trotz (oder wegen) Rasseliste kontinuierlich an. Eine Studie aus Irland versuchte daher dieser Entwicklung auf den Grund zu gehen. Das Ziel der Studie (2017) war zu erheben ob und welche Unterschiede es zwischen Bissvorfällen, verursacht von Listenhunden im Vergleich zu nicht gelisteten Rassen, gibt. Die Fragestellung inkludierte auch eine Betrachtung der durch Rasselisten hervorgerufenen Vorurteile und deren Auswirkungen. Eine weitere Frage, die in der Studie gestellt wird, betrifft daher die Art und Weise der Durchsetzung der Rechtsvorschriften (Rasseliste) durch Kontrollbeamte und deren Wahrnehmung davon. Für die Studie hat man folgende Faktoren untersucht:

  • Alter des Hundes zum Zeitpunkt des Bisses,
  • Bissstelle,
  • Auslöser für den Biss,
  • Beziehung des Opfers zum Hund,
  • Lebensumfeld des Hundes,
  • Ort des Bissvorfalls,
  • Anwesenheit oder Abwesenheit des Hundehalters,
  • Vorgeschichte des Hundes,
  • Art der Meldung des Vorfalls bei den Behörden,
  • erforderliche medizinische Behandlung,
  • Art des Bisses

Die Ergebnisse der Studie beruhen auf einer landesweiten Erhebung (via Medien). Insgesamt wurden 140 Bissvorfälle ausgewählt und ausgewertet. 100 Vorfälle betrafen nicht gelistete Hunde, 40 Vorfälle gingen auf Listenhunde zurück.

Bissstatistik Irland

Die Gefahr ist im Kopf

Das Ergebnis der Studie aus Irland war: Listenhunde wurden deutlich häufiger als aggressiv und weniger ängstlich beschrieben als nicht gelistete Hunde. Allerdings lag dieser Unterschied in der Wahrnehmung nicht in der Realität. Nicht gelistete Hunde waren, als der Vorfall passierte, meist mit ihrem Besitzer auf dem eigenen Grundstück oder auf einem Betriebsgelände. Bei Listenhunden war das selten der Fall. Nicht gelistete Rassen wurden nach einem Biss, im Gegensatz zu gelisteten Rassen, seltener gemeldet oder angezeigt. Keine signifikanten Unterschiede gab es dagegen bezüglich der Faktoren: Alter des Hundes, Ort wo gebissen wurde, Beziehung mit dem Hund, Vorgeschichte des Hundes, und Erziehungsstand des Hundes. Auch bei der Schwere der Hundebisse wurden keine Unterschiede zwischen gelisteten Hunden und nicht gelisteten Hunden vergleichbarer Größe festgestellt. Im Verhalten der Opfer dagegen fiel auf, dass sie bei nicht gelisteten Hunden sorglos im Umgang mit dem Hund waren.

Die Studie aus Irland stellt daher fest, dass es, bezogen auf einen Biss, keine signifikanten Unterschiede zwischen Listenhunden und nicht gelisteten Rassen gibt. Auch die Konsequenzen (medizinische Behandlung) für das Opfer waren vergleichbar und die Art und Schwere des Bisses ähnlich. Der hauptsächliche Unterschied lag in der Wahrnehmung und in der Art und Weise wie der Bissvorfall den Behörden gemeldet wurde.

Rasseliste in Irland

Um Hundebisse zu minimieren kann die Politik rassespezifische Gesetze erlassen oder auch nicht. Rasselisten verbieten den Besitz bestimmter Hunderassen oder schränken Hunde mit vermuteten Gefahrenpotential ein. Nicht rassespezifische Rechtsvorschriften enthalten Regeln die darauf abzielen verantwortungslose Hundehalter zur Räson zu bringen und setzen auf Ausbildung. In Irland hat man allerdings mit dem Control of Dogs Act 1986 auf Rasselisten gesetzt und folgende Rassen gelistet:

  • American Pit Bull Terrier
  • Bull Terrier
  • Bull Mastiff
  • Doberman Pinscher
  • English Bull Terrier
  • Deutscher Schäferhund
  • Japanischer Akita
  • Japanischer Tosa
  • Rhodesian Ridgeback
  • Rottweiler
  • Staffordshire Bullterrier
  • Bandog

Man hatte in Irland ursprünglich angenommen, dass die gelisteten Rassen und deren Mixe ein höheres Aggressionspotential hätten und die Öffentlichkeit daher vor ihnen geschützt werden müsse. Mittlerweile nimmt die Öffentlichkeit diese Hunde als „gefährlich“ wahr und ist der Überzeugung, dass gelistete Rassen schwerere Bisse verursachen als nicht gelistete Rassen.

Der Deutsche Schäferhund steht in Irland auf der Rasseliste

Das Zusammenleben mit Hunden verändert sich in Irland

Aktuell verändert sich die Hundehaltung in Irland, denn die Hunde werden häufiger im Haus gehalten und sie leben enger mit ihren Menschen zusammen. Man könnte annehmen, dass die Nähe mehr Hundebisse zur Folge hätte aber das Gegenteil ist der Fall. Hunde die in Distanz zu ihren Besitzern leben (Garten, Zwinger) sind viel häufiger in Bissvorfälle verwickelt als ihre vierbeinigen Kollegen auf der Couch. Hunde die näher am Menschen leben können sich besser auf ihn einstellen und zeigen weniger Aggression gegenüber Menschen.

Die Häufigkeit von Hundebissen nimmt, laut Studien, proportional zu der Anzahl gehaltener Hunde zu. 15 Jahre Rasseliste hatten keinen positiven Effekt auf das Ziel die Hundebisshäufigkeit zu senken. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Laut einer Studie aus Irland tragen Rasselissen eher dazu bei, Bissstatistiken in die Höhe zu treiben.

Krankenhausaufenthalte bei Menschen aufgrund von Bissen von Hunden in Irland (1998–2013): Auswirkungen auf die geltende rassespezifische Gesetzgebung

Péraicé Séilleabhéin School of Psychology, National University of Ireland, Galway Link zur Studie

Studien aus unterschiedlichen Ländern kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Rasselisten eignen sich nicht um Hundebisse zu reduzieren. Das weiß man seit über 20 Jahren, wie eine Studie aus den USA belegt.

It has been reported that in order to prevent 1 dog-bite hospitalisation in a city or town, in excess of 100,000 dogs of the identified breeds would have to be removed completely from the population

Gary J. Patronek, VMD, PhD; Jeffrey J. Sacks, MD, MPH; Karen M. Delise; Donald V. Cleary, BA;  Amy R. Marder, VMD. (2013) Ko-Vorkommen potenziell vermeidbarer Faktoren bei 256 Todesfällen im Zusammenhang mit Hundebissen in den Vereinigten Staaten (2000–2009)Journal of the American Veterinary Medical Association 243:12, 1726-1736.

Die Unterschiede sind eine Sache im Kopf

Untersuchungen zeigen, dass es keinen fundamentalen Unterschied bezüglich der Aggression zwischen Listenhunden und nicht gelisteten Rassen gibt. Sie decken auch auf, dass nicht die Rasse sondern die Größe eines Hundes darüber bestimmt, wie schwer ein Biss ausfällt. Daher hat die vorliegende Studie aus Irland die Schwere von Hundebissen genau untersucht und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Rasse kein Faktor für die Art der Verletzung ist. Es sind Vorurteile, die aufgrund von Rasselisten in der öffentlichen Wahrnehmung erzeugt werden.

Wie die Studie ablief

Der Aufruf zur Teilnahme der Studie war öffentlich und wurde via Fernsehen, Radio. Printmedien, Krankenhäuser und Arztpraxen sowie über Social Media verbreitet. Melden konnte sich jede Person die in der Republik Irland jemals von einem Hund gebissen wurde. Die Daten wurden vom 24.Juni 2015 bis zum 19.März 2016 gesammelt. In Hinblick darauf, dass bei gelisteten Rassen keine Kleinhunde zu finden sind, wurden diese von der Studie ausgeschlossen, ebenso wie Welpen und Junghunde bis zum 6.Monat. Mischlinge waren ebenfalls von der Teilnahme ausgeschlossen. Das Ziel war, Hunde vergleichbarer Größe zu untersuchen. Die Teilnahme an der Studie erfolgte online. 140 Bissvorfälle blieben übrig, sie bilden den Untersuchungsgegenstand der Studie.

Gleichzeitig wurden die Kontrollorgane der Listenhundegesetzgebung (dog control officers) angeschrieben und um Auskunft gebeten. Außerdem kontaktierte man die staatliche Tierheime und befragt sie. Bei den DCOs zeigte sich, dass über die Hälfte selbst Vorbehalte gegenüber Listenhunden hatten und eine rassespezifische Gesetzgebung unterstützten. Die Identifizierung von Hunderassen wurde von ihnen zudem subjektiv nach Phänotyp vorgenommen.

Der Rottweiler ist in Irland ein Listenhund

Die Schlussfolgerungen der Studie

Die vorliegende Studie liefert Beweise dafür, dass Rasselisten als Strategie zur Verringerung von Hundebissen erhebliche negative Folgen in Bezug auf die Wahrnehmung von Risiko und das Meldeverhalten von Hundebissen haben kann. Die Einführung einer rassespezifischen Gesetzgebung in Irland hatte daher weitreichende negative Folgen. Eine legislative Strategie zur Eindämmung von Hundebissen, deren Zweck darin besteht, der Öffentlichkeit durch ein Meldesystem Schutz zu bieten, sollte vermeiden, dass Rasselisten zu einer Spaltung der Gesellschaft führen und verantwortungsvolle Hundebesitzer vernachlässigen.

Ein solches System wird es erschweren bissige Hunde zu identifizieren. Rasselisten führen zu einer deutlichen Verzerrung bei Hundebissstatistiken, denn nicht gelistete Hunde werden weniger wahrscheinlich gemeldet. Es führt weiters zu einer Verzerrung der Realität, denn bestimmte Rassen werden als Bedrohung gesehen, anderen Rassen begegnet man dagegen zu sorglos. Der Anstieg von Hospitalisierungen aufgrund von Hundebissen in Irland ist alarmierend aber nicht überraschend. Allerdings gibt es evidenzbasierte rassenneutrale Alternativen, die auf multifaktorielle Risikofaktoren abzielen und als solche in Kraft treten sollten. Daher wird empfohlen, Lösungen zu finden die potenziell gefährliche Hunde auf der Grundlage ihres gezeigten Verhaltens kategorisieren.

Die Studie zum Nachlesen

Creedon, N., Ó Súilleabháin, P.S. Dog bite injuries to humans and the use of breed-specific legislation: a comparison of bites from legislated and non-legislated dog breeds. Ir Vet J 70, 23 (2017). https://doi.org/10.1186/s13620-017-0101-1

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