Am 13. November 2019 ereignete sich der „Fall Wiener Neustadt“ in der Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt. Ein schrecklicher Unfall, ein 31-jähriger Soldat, Dominik R., wurde in der Nacht von zwei Diensthunden angefallen und getötet. Der Niederösterreicher wurde kurz vor 2.00 Uhr von einem Kollegen vor dem Zwinger gefunden. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Warum die beiden Malinois, die als spezielle „Zugriffshunde“ ausgebildet wurden, getötet haben, kann auch das aktuelle Gutachten nicht schlüssig beantworten.

Der Fall Wiener Neustadt am 13.November 2019

Die ersten bekannten Fakten waren mager. Dominik R., gebürtige Badener, der zuletzt in Mödling gelebt haben soll, war gegen 16.00 Uhr zur Zwingeranlage aufgebrochen, um die fünf Hunde in der Kaserne zu betreuen. Er war an diesem Abend für die Betreuung, also Auslauf und Fütterung, der Tiere zuständig. Seinen eigenern Diensthund ließ er im Fahrzeug zurück. Der Soldat war alleine mit den Hunden. Bundesheersprecher Michael Bauer teilte damals der APA mit, dass sich der Großteil der Jagdkommando-Soldaten der Flugfeld-Kaserne auf einer Übung in der Steiermark befunden hätte. Der diensthabende Offizier vor Ort bemerkte dann die zwei freilaufenden Belgischen Schäferhunde. Hati war bereits fertig ausgebildet, der zweite erst rund sechs Monate alte Ragna noch in Ausbildung. Der Offizier weckte einen Hundeführer auf, der die beiden Tiere wieder versperrte und den toten Kollegen fand. Dieser hatte massive Bisswunden erlitten. Ein guter chronologischer Ablauf ist hier nachzulesen

Der Fall geht durch alle Medien

Ein Diensthund der tötet ist medial interessant. Vielleicht weil ein Vorfall wie dieser eine Art kognitive Dissonanz verursacht. Ein Diensthund ist ein „Beamter“ und soll dienen, keinesfalls soll er sich selbst dazu entscheiden seinen „Vorgesetzten“ zu töten. Viele Menschen gehen davon aus, dass ein Hund immer beherrschbar ist, besonders dann, wenn er eine intensive Ausbildung genossen hat. Der Fall Wiener Neustadt zeigt, dass es Faktoren gibt, die die beste Ausbildung versagen lassen. Das Österreichische Bundesheer hat über 70 Militärhunde. Davon sind 41 Rottweiler, 15 Belgische und fünf Deutsche Schäferhunde sowie neun Labradore. Ausgebildet werden die Tiere im Militärhundezentrum in Kaisersteinbruch im Burgenland. Im Anschluss kommen sie auf mehreren Dienststellen und auch im Ausland zum Einsatz. Das Bundesheer weiß was es tut, wenn es um die Ausbildung von Diensthunden geht.

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Gutachterin aus Deutschland wird bestellt

Im April 2020 entschied man sich eine externe Gutachterin zu bestellen, die Wahl fiel auf Esther Schalke. Die Sachverständige für Hundewesen sollte klären, ob bei der Verwahrung und Betreuung der Tiere Nachlässigkeiten vorlagen. Die Bestellung der Expertin aus dem Nachbarland sei laut Behördensprecher deshalb nötig gewesen, weil sämtliche in Österreich gemeldete Gutachter eine Nähe zum Militärhundewesen aufweisen. Der Auftrag an die Sachverständige in Deutschland wurde „im Zuge eines Rechtshilfeersuchens“ erteilt.

Laufendes Verfahren

Als verdächtig im Fall Wiener Neustadt galten der für die Tiere zuständige Hundeführer und „Verantwortliche des Bundesheers, die nicht konkret ausgeforscht sind“. Im Raum stand weiter der Verdacht der grob fahrlässigen Tötung sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit. Bei dem als verdächtig geltenden Hundeführer handelt es sich um den Besitzer der beiden in den Fall involvierten Tiere. Weil er sich am 13. November bei einer Übung befand, brachte er die beiden Hunde namens „Hati“ und „Ragna“ im Zwinger der Wiener Neustädter Kaserne unter. Nicht seitens des Bundesheeres gedeckt war jedenfalls das Einstellen von „Ragna“, der wegen seines Vorverhaltens als Diensthund ausgeschlossen worden war und fortan als Privathund galt.

DNA Spuren belegten die Beteiligung beider Hunde

Einem DNA-Gutachten zufolge wurden Bissspuren von „Hati“ und Ragna“ am Körper des 31-Jährigen gefunden. Der im Dezember 2019 an die Staatsanwaltschaft übermittelte Untersuchungsbericht des Bundesheeres zum Fall Wiener Neustadt kam zum Ergebnis, dass eine „schwere Konfliktsituation“ zwischen dem Getöteten und dem Malinois „Hati“ vorgelegen habe. Zur Rolle des zweiten, jüngeren Hundes „Ragna“ könnten keine Angaben gemacht werden, wurde betont. Beide an dem tödlichen Vorfall beteiligten Tiere verblieben „unverändert in Quarantäne“. Eine Entscheidung über das Schicksal der Hunde wurde erst nach Abschluss der Ermittlungen gefällt. Im Fall von „Hati“ oblag die Entscheidung dem Heer, bei Privathund „Ragna“ dem als Besitzer geltenden Hundeführer. Mittlerweile ist bekannt: „Hati“ wurde eingeschläfert, „Ragna“ kehrte zu seinem Züchter zurück.

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Entlastendes Gutachten

In der von Esther Schalke erstellte Expertise werden Bundesheer und Hundeführer entlastet. Sie sieht die Schuld für den Vorfall weder beim zuständigen Hundeführer, noch beim Bundesheer. Die Conclusio lautet, dass der 31-Jährige ein zu großes Sicherheitsrisiko eingegangen war. Sowohl gegen den Hundeführer als auch gegen „Verantwortliche des Bundesheers, die nicht konkret ausgeforscht sind“ wurde bisher seitens der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelt. Im Raum stand der Verdacht der grob fahrlässigen Tötung sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit.

Kritik an den Zwingeranlagen

Erich Gemeiner, der Anwalt der Familie des getöteten Soldaten, soll am Montag zudem Vorwürfe gegen das Bundesheer erhoben haben: „Alle Schutzmaßnahmen haben versagt“, hielt er fest. „Es sollte am Zwinger die Möglichkeit bestehen, von außen den Hunden einen Maulkorb aufzusetzen. Dafür bedarf es einer gesonderten Klappe. Es sollte eine Schleusenvorrichtung vorhanden sein, sodass der Diensthund beim Öffnen nicht direkt entweichen kann.

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