Hunde sind Familie

In Oberösterreich soll das Hundegesetz geändert werden, nach einem Anlassfall ist die Politik gefordert etwas zu tun, die Versuchung ein populistisch wirksames aber in der Praxis untaugliches Gesetz zu machen ist groß. In einem ersten Entwurf der gerade zur Begutachtung vorliegt ist von Rasselisten und Beißkörben die Rede. Beides steht bei Hundehaltern nicht sehr hoch im Kurs, das eine ist doof, das andere tierschutzrelevant und Hunde sind Familie – jedenfalls für die meisten Menschen.

WERDEN RASSELISTEN IN OBERÖSTERREICH ZUM THEMA?

Was steht denn drinnen?

Im Gegensatz zum Vorgänger finden sich in der Verschärfung plötzlich „Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential“, das kann man mit dem Begriff „Rasseliste“ übersetzen. Die Politik Oberösterreich wird per Verordnung eine Reihe von Rassen bestimmen, die per Liste als gefährlich gelten. Im Gesetzestext klingt das dann so:

Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotenzial sind Hunde, bei denen auf Grund ihrer wesensmäßig typischen Verhaltensweise, Zucht oder Ausbildung eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren vermutet wird.

Begutachtungsentwurf der Oö. Hundehaltegesetz-Novelle 2021

Im Gesetz enthalten sind analog zu Wien, Niederösterreich und Vorarlberg ein „Hundeführschein“, der Nachweis der „Verlässlichkeit des Hundehalters“, sprich Leumundszeugnis und eine spezielle Haftpflichtversicherung. So weit so gut, im leidgeprüften Listenhundehalter mag nun ein Gefühl der Nostalgie aufsteigen, so war das Gesetz in Wien schon vor zehn Jahren.

Aber da ist noch die Sache mit dem Maulkorb

Ähnlich wie in Novelle12 die Ulli Sima vor ihrem Dahinscheiden als Stadträtin für u.a. Tierschutz den Wiener hinterlassen hat, sollen auch in Oberösterreich auffällige und gelistete Hunde immer mit Maulkorb versehen werden. Das gilt von der Wurfkiste bis zum Tierkrematorium also lebenslang. Im Gesetz liest sich das so:

§ 6 Mitführen von Hunden an öffentlichen Orten (1) Hunde müssen an öffentlichen Orten im Ortsgebiet an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden. (1a) Auffällige Hunde müssen an öffentlichen Orten, ausgenommen in eingezäunten Freilaufflächen, an der Leine und mit Maulkorb geführt werden; in nicht eingezäunten Freilaufflächen gilt Maulkorbpflicht. (1b) Abs. 1a gilt sinngemäß für Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotenzial.

Begutachtungsentwurf der Oö. Hundehaltegesetz-Novelle 2021

Das wird Ärger geben

In Wien hat Novelle12 für höchste Empörung gesorgt und als die Empörung aufgrund von Corona wenig Raum hatte, haben die Hundehalter das getan, was Wiener immer tun, wenn sie ein Gesetz doof finden, sie halten sich nicht daran. Die Akzeptanz von Novelle12 liegt bei plus/minus Null. Ulli Sima hat es geschafft mit Novelle12 zur unbeliebtesten Politikerin Wiens zu werden, jedenfalls bei Hundehaltern und Hundeliebhabern. Hunde sind Familie, das hat Frau Stadträtin nicht bedacht.

Kein Wunder, dass es Einsprüche hagelt…

Seit die oberösterreichische Reform bekannt geworden ist, sind alle die irgendwie auf den Hund gekommen sind empört. Das sollte der Politik eigentlich zu denken geben. Vernünftig wäre es auf Experten zu hören. Alle die es wissen müssen, haben sich bisher gegen den geplanten Gesetzesentwurf positioniert. Also wenn die Politik auf Experten hört, dann muss sie ihren Entwurf umschreiben. Einen sehr guten Einspruch hat der Österreichische Hundehalterverband geschrieben:

Gefahr per Genetik – geht das?

Nein – natürlich nicht, kein Lebewesen ist per Genetik gefährlich. Würde ein österreichischer Politiker die Idee, die hinter Rasselisten steht, am Menschen anwenden, stünde er vermutlich in Den Haag vor Gericht. Was wir im Fall des Homo Sapiens sehr gut wissen, vergessen wir beim Kaniden. Abseits von der Ethik gibt es auch einen wissenschaftlichen Einwand: Genetik ist nicht statisch, sie ist ein Teil der Hundezucht und so wie sich die Selektion verändert, so verändert sich auch die Genetik. Selbst wenn man Bullterrier und Pitbull unterstellen kann, dass sie einmal hauptberuflich gekämpft haben, sie tun es seit vielen Generationen nicht mehr. Die Selektion ist heute eine andere als vor 100 Jahren.

Auf die Epigenetik sollte man schon etwas achten

Bei der Epigenetik geht es eher um die Herkunft der Hunde. Wenn ein Hundehalter seinen Vierbeiner beim „Vermehrer seines Vertrauens“ erwirbt, kann es sein, dass dieses Tier vorbelastet ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Mutterhündin unter schlechten Bedingungen ihre Welpen zur Welt brachte und man mag davon ausgehen, dass die Welpen keine schöne Jugend hatten. Das allerdings kann dazu führen, dass der Hund später „schwierig“ ist und einen erfahrenen Halter braucht.

EINE FRAU DIE ES BESSER WEIß

Was ist denn überhaupt ein „gefährlicher Hund“?

Für einen Erwachsenen jeder Hund der 42 Zähne hat und schneller laufen kann als der Mensch, für ein Kind alle Hunde. Jeder Hund kann beißen. Jeder Hund hat das Potential dazu. Für ein Kind kann ein Mops ausreichen, für einen Erwachsenen ein mittelgroßer Pudel. Bisse sind immer multifaktoriell. Gerade in Oberösterreich sollte man das wissen. Es gibt zwei Fälle, die Aufsehen erregt haben. Einmal war der Täter ein Pitbullmischling, beim anderen Mal war es der Jagdhund. Die Rasse spielt eine untergeordnete Rolle, wenn es um die „Gefährlichkeit eines Hundes“ geht. Wenn jemand gefährlich ist, dann ist es der Hundehalter.

Hunde sind Familie – so empfindet man das heute

Die Zeiten von Kette und Hundehütte sind vorbei. Die meisten Hunde leben heute als Familienmitglieder auf der Couch oder wenigstens im Körbchen. Sie haben mehr Leinen, Halsbänder und Geschirre als ihr Hundehalter Schuhe im Regal. Es ist hochgradig kurzsichtig, wenn ein Politiker einem Familienmitglied einen permanenten Maulkorb verordnet. Rasselisten und permanenter Maulkorbzwang sind vorsintflutliche Maßnahmen. Moderne Gesetze müssen auf Erziehung und Ausbildung setzen.

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