Der Fall Waris 2018
Es ist zwei Jahre her, seit in Wien der erste tödliche Unfall mit Hund und Kind passierte. Die Hundehalterin wurde damals zu eineinhalb Jahren teilbedingter Haft verurteilt, der Hund wurde kurz nach dem Vorfall eingeschläfert. Mit sechs Monaten wurde ein Drittel der Strafe unbedingt ausgesprochen, zwölf Monate wurden der bisher unbescholtenen 49-Jährigen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nachgesehen. Die Eltern des getöteten Jungen bekamen ein Trauerschmerzengeld von insgesamt 65.000 Euro zugesprochen. Der Rottweiler der verurteilen Hundehalterin hatte am 10. September 2018 in Wien-Donaustadt den 17 Monate alten Waris angefallen. Das Kleinkind erlitt schwerste Kopf- und Schädelverletzungen und starb zweieinhalb Wochen später im Spital Donaustadt.
Novelle 12 ist die Antwort auf den Tod des kleinen Waris
Stadträtin Ulli Sima hat am Welthundetag, am 10.Oktober 2019 Novelle12 präsentiert. Für Wien war damit das strengste Tierhaltegesetz Österreichs vorgesehen. Im September 2020 trat das novellierte Hundegesetz in Kraft. Die Restriktionen für Listenhunde waren enorm. An öffentlichen Orten generelle Maulkorb- und Leinenpflicht und eine 0,5-Promille-Grenze für das Führen eines Listenhundes. Weiters eine Verschärfung des Hundeführscheins und das Verbot für die Zucht von Listenhunden sind in dem Gesetz vorgesehen. Die Strafen wurden drastisch erhöht: Wenn ein Listenhund ohne Maulkorb unterwegs ist und einen Menschen beißt, dann erfolgt eine Abnahme des Hundes. Der Verstoß gegen die Maulkorbpflicht bedeutet 200€ Strafe und 6 Stunden verpflichtendes Training. Beim zweiten Verstoß gegen die Maulkorbpflicht muss der Hundeführschein wiederholt werden. Beim dritten Verstoß erfolgt die Abnahme des Hundes. Ein Verstoß gegen das Leinengebot schlägt mit 100€ zu Buche.
Es gab starken Widerstand gegen Novelle 12
DrDr. Binder attestierte den Listenhundehaltern, dass sie sich nun entscheiden müssten, welchem Gesetz sie Folge leisten wollten, dem (Bundes) Tierschutzgesetz oder dem (Landes) Hundegesetz. Beides sei aus ihrer Sicht nicht möglich, denn Novelle12 würde eine tierschutzgerechte Führung eines Hundes verunmöglichen. Die Tierärztekammer protestierte ebenso gegen Novelle12, wie der ÖHV Österreichische Hundehalterverband. Namhafte Kynologen widersprachen Ulli Sima öffentlich. Das Gesetz wurde trotzdem in Kraft gesetzt. Der ÖHV bekämpfte das Gesetz per Verfassungsgericht. Die Geschichte rund um die Annahme und anschließende (überraschende) Ablehnung des Individualantrags ist eine eigene spannende Geschichte,
Anlassgesetz mit Auswirkungen
Der Wiener Tierschutzverein (WTV) warnte damals vor einem „unüberlegten Vorstoß der Anlassgesetzgebung in Sachen Listenhunde“. Das dem WTV angeschlossene Tierschutzhaus in Vösendorf verzeichnete einen Ansturm vom Listenhundehaltern, die ihre Tiere abgeben wollten. Marlene Petrovic sagte damals dazu: „So meldeten sich beim WTV seit Bekanntwerden der Novelle täglich Dutzende verzweifelte Hundehalter. „Insbesondere redliche Halter von Listenhunden werden in der Öffentlichkeit angepöbelt. Etliche halten dem Druck nicht mehr stand und wollen sich schweren Herzens von ihren Hunden trennen. Wir hatten bereits zahlreiche Anfragen betreffend der Abgabe von Listenhunden, und zwar durchwegs von seriös anmutenden Tierhaltern“. Der WTV verwies damals darauf, dass die Hundehalter sich an das TierQuartier zu wenden hätten, denn jeder Listenhund wurde mit Novelle12 zu einem „Langsitzer“
Wien setzt auf populistische Anlassgesetzgebung – in den Bundesländern bleibt man vernünftig
Der Fall Waris in Wien hatte nicht nur auf Wien und die Wiener Hundegesetzgebung Auswirkungen. Auch in den Bundesländern wurde eine Diskussion über mögliche Verschärfungen und die Einführung von Rasselisten geführt. In Kärnten bemühte sich die SPÖ um die Implementierung einer Rasseliste, blitzte mit ihrem Antrag aber ab. In Oberösterreich hielt man ebenfalls an den bestehenden Gesetzen fest und auch in der Steiermark erteilte man dem Auslaufmodell Rasseliste eine Abfuhr. Tirol orientierte sich am Vorbild Oberösterreichs. Wien ist damit kein Vorbild für Österreich.
Scheinsicherheit per Gesetz verordnet
Viele Experten aus dem Feld der Kynologie haben Ulli Sima wiederholt darauf hingewiesen, dass Rasselisten kein geeignetes Mittel sind um Unfälle wie jenen des kleinen Waris zu vermeiden. Erziehung und Aufklärung, in Verbindung mit gut geschulten Hundehaltern, sind nachweislich die beste Garantie dafür, dass solche Fälle nicht mehr passieren. Es gibt mittlerweile genügend Studien die das belegen. Man kann aber aufgrund von Aussagen der Stadträtin unterstellen, dass es Ulli Sima weniger um die Sicherheit als um die Verbannung aller Listenhunde aus Wien geht. Ginge es um Sicherheit, dann würde die Stadt Wien auf Schulung der Hundehalter setzen, denn auf der Basis mangelnden Wissens, ist eine Wiederholung von einem Fall wie Waris durchaus möglich.
Foto: Tom Verdoot/Pexels
Text: dogNEWSdieSEITE
