Hund sein in Wien

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Wien – hundefreundlich?

Schwer zu sagen, ich glaube, die Wiener sind hundefreundlich, „die Stadt“ dagegen nicht, die Stadtregierung mag ganz sicher keine Hunde, glaube ich jedenfalls, denn wenn jemand Rasselisten einführt, dann will er, im Fall von Wien, sie, ein Problem vom Tisch haben ohne es lösen zu müssen.

Es war einmal und es war einmal schön …

Ich bin mit Hunden aufgewachsen, ich habe mit ihnen gehen gelernt, sie retteten mich vor einem renitenten Gockelhahn, sie sind mit mir in den Wald gegangen und als ich ein Teenager war, da habe ich meinen ersten eigenen Hund aus dem Tierschutz geholt. In der Pubertät ist man etwas eigenartig, ich habe mir den Hund ausgesucht, der mir als einziger keine Aufmerksamkeit schenkte. Wir haben uns trotzdem aneinander gewöhnt, der Deutsche Schäferhund war anpassungsfähig. Er ist zu Hause rausgeflogen weil er das Parkett aufgegraben hatte, ich weil ich keine Eltern mehr hatte und für den Rest der Familie zu „stur“ war. Halter und Hund sind sich immer irgendwie ähnlich.

Das Leben in Wien war damals sehr frei

Hunde konnten auf einer Vespa mitfahren, ohne dass man dafür verhaftet wurde. Die Hundehaufen wurden damals noch von der Straßenreinigung weggeputzt. Auf der Universität konnten Hunde Vorlesungen besuchen und in Lokalen waren sie wohlgelitten. Die meisten Menschen fanden Hunde gut. Fuzzi, so hatte ich ihn getauft, war überall willkommen. In den Parks gab es kein Hundeverbot und Hundezonen waren noch nicht erfunden, wofür auch, der Hund war einfach Teil des Alltags, auch in der Großstadt.

Der nächste Hund in meinem Leben, ein Dogo Argentino namens Snuffi, kam auch noch in den Genuss dieser Freiheit und des Wohlwollens. Sein Revier war der Uni Campus, er kannte dort jedes Lokal. Die Gäste streichelten ihn, ein Stück Schnitzel oder ein Knochen fiel meistens ab. In der „City“ hatte er seinen Eissalon, ein Eis essender Hund war ein beliebtes Fotomotiv, das war gut fürs Geschäft. Im Daniel Moser war er Stammgast, er hatte seinen Schinken früher, als ich meinen Kaffee. Vom Stephansplatz bis Wienerwald lief er meist leinenlos.

Die Zeiten ändern sich

Als Snuffi langsam zu Snuffi Senior wurde kam die „Volksbefragung“, Vor 10 Jahren fragte Stadträtin Sima die Wiener, ob sie nicht gerne eine Rasseliste hätten. Die Umfrage war „herzig“ – manipulativ, ein Lehrbeispiel für eine suggestive Befragung, eingebettet in eine, ich denke, recht teure Kampagne. Ulli Sima hatte Erfolg damit. Sie durfte ihre, von Deutschland kopierten, Rasselisten einführen. Die Wiener hatten endlich auch ihre „Kampfhunde“, 10 Jahre nach Deutschland aber immerhin.

Damals gab es durch den Hundeführschein noch eine Möglichkeit der Gleichstellung, irgendwie ein akzeptabler Deal, Ausbildung gegen Freiheit. Aber wie das mit „Rassismus“ so ist, er brachte die Diskriminierung ins Land. Die Listenhunde waren plötzlich Hunde zweiter Klasse. Könnte an der Kampagne gelegen haben. Jeder Mensch, der sich für eine der gelisteten Rassen entschied, hatte automatisch das Label „asozialer Psychopath“.

Der Widerstand schläft ein

Die Wiener sind anpassungsfähig, vermutlich deshalb, weil sie gelernt haben Verordnungen weitgehend zu ignorieren und umzudeuten. Den feinen Riss in der Hundewelt, hat damals niemand ernst genommen, mittlerweile ist er ein tiefer Graben geworden. Der Leidensdruck war nicht stark genug für weitere Demonstrationen.

Wer einen Hund rettet und so …

Die Hundedichte in Wien wurde höher und die Art der gehaltenen Hunde veränderte sich. Die gerettete Seele aus dem Tierschutz war im Trend. Das veränderte die Hundehaltung. Erziehung war nicht mehr „In“ und Konsequenz im Umgang mit Hund wurde „Pfui“. Die einen wollten retten aber nicht erziehen, die anderen fühlten sich dadurch gestört und geregelt wurde alles von einer Stadträtin, die von Hunden soviel Ahnung hat, wie ich von Atomphysik. Immerhin das „Sackerl für das Gackerl“ setzte sich durch und die Hundehaufen wurden weniger. Dafür tauchten plötzlich bei Parks und Grünflächen runde Tafeln mit rot durchgestrichenen Hunden auf und die „Zonen“ wurden erfunden. Hundezonen für die Hunde, Käfige für die Ballspiele, Zäune für die Kinderspielplätze, nur die Pensionisten durften noch frei im Park sitzen.

Segregation und Angst

Wien war nicht mehr „entspannt“, jedenfalls nicht beim Thema Hund. Die Vierbeiner die über Generationen kaum jemand gestört hatten wurden plötzlich zum Ärgernis und zur „Gefahr“. Die Medien hatten bereits 2010 den „gefährlichen Hund“ als auflagensteigernden „Kampfhund“ entdeckt. Angeblich sollte es „Hundekämpfe“ in Wien gegeben haben. Angenagte Schaukeln auf Kinderspielplätzen wurden als Beweis herangezogen, nachgewiesen wurden diese illegalen Veranstaltungen nie. Trotzdem erzeugten die Berichte ein Misstrauen. jeder der damals einen Terrier an der Leine hatte, kann davon ein Lied singen.

Wien bekommt „seinen Volkan“

2018 starb ein kleiner indischer Junge namens Waris aufgrund der Attacke eines Rottweilers, damit hatte Wien seinen „Volkan“, so hieß der kleine Junge aus Hamburg, dessen Tod die Rasselisten und die darauf folgenden Tötungen vieler Hunde auslöste. In Wien war die Antwort Novelle12 des Wiener Hundehaltergesetzes. Ein Segregationskonzept das 6% der Hunde Wiens dazu verdammt, Maulkorb und Leine permanent zu tragen. Im Kleingedruckten verspricht Novelle12 eine Erweiterung der Rasseliste, die Tötung „ex lege“ bei schwerer Körperverletzung und die permanente Bemaulkorbung eines auffälligen Hundes.

Ene mene muh – Tierschutzgesetz oder Hundegesetz – was nimmst Du?

Mit Novelle 12 ergibt sich für mich eine schwierige Wahl, folge ich dem Tierschutz(bundes)gesetz oder dem Hunde(landes)gesetz. Beides geht nicht, wie DDr. Binder schlüssig erläutert hat. Permanent Maulkorb ist nicht tierschutzgerecht. Man hat den gelisteten Rassen tatsächlich vom Welpen bis zum Hundeopa permanenten Maulkorb verordnet.

Nicht dumm, aus Sicht einer Stadträtin, die Hunde aus Wien verbannen möchte. Ein Maulkorb ist ein perfektes Mittel der Segregation, wie kann man besser eine Gruppe von Hunden ausgrenzen? Man könnte den Haltern vielleicht noch das Tragen einer roten Binde oder einen roten Punkt verordnen aber das ginge dann doch nicht konform mit den Menschenrechten. Menschen darf man nicht direkt diskriminieren, über den Umweg ihrer Hunde, geht das allerdings schon. Also permanent Maulkorb, eine mögliche Erweiterung wäre vielleicht ein roter Maulkorb?

Es lebt sich nicht gut mit populistisch motivierter Diskriminierung

Das Drama ist mannigfaltig. Die Inkompetenz von Novelle12 ist schmerzhaft, jedenfalls wenn man sie als Mittel zur Gestaltung eines friedlichen Miteinander interpretiert. Kompetent ist Novelle12 nur, wenn man davon ausgeht, dass bestimmte Rassen verboten werden sollen. Die Diskriminierung ist angestiegen, denn eine Gruppe von Menschen ist angreifbar geworden, das wird ausgenützt. Vor allem Hundehalter, die es mit der Erziehung des eigenen Hundes nicht so genau nehmen, sind echte Fans der Rasseliste. Vor Gericht ist es für einen Listenhundehalter schwer „Recht zu bekommen“, die Vorverurteilung sitzt. Die Wohnungssuche gestaltet sich vermutlich schwierig. Die Möglichkeiten, dem Hund per Ausbildung ein normales Leben zu geben, sind teuer. Segregation fühlt sich nicht gut an.

Schmerzhaft ist auch das Wissen, dass genau diese Gesetzgebung eine Lösung der anstehenden Probleme unmöglich macht. Das Problem sind nicht die gelisteten Hunde, es sind Hundehalter, die auf ihre Umwelt keine Rücksicht nehmen. Es sind Menschen, die ihre Hunde nicht erziehen. Natürlich tut es weh jeden Tag mit den echten Problemen konfrontiert zu sein aber gleichzeitig zu wissen, dass eine Lösung nicht in Sicht ist. Selbstverständlich ist es traurig, dass es das „friedliche Miteinander“ kurzfristig nicht geben wird.

Die Wiener allerdings sind Hundefreunde

Was trotz Rasseliste und medialer Hetze gegen einige Hunderassen geblieben ist, das ist die Hundefreundlichkeit der Wiener. Die meisten mögen Hunde. Jene, die keine Hunde mögen, tolerieren sie, nur ganz wenige Menschen in Wien nützen die Möglichkeit zur Diskriminierung aus.

Text: Rosa Hackl

Bild: Rosa Hackl

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