Die Darsteller des Dramas

Eine APA Meldung lässt wissen, dass ein Pitbull einen Yorkshire Terrier zum Tierarzt befördert hat, das ist nicht schön, für keinen der Beteiligten. Die Darsteller dieses Dramas sind zwei stämmige Männer unbekannter Herkunft, eine mysteriöse Frau, die den Pitbull zur Flucht verhilft, zwei 13-jährige Mädchen, ein weißer Yorkshire Terrier und ein fuchsfarbener Pitbull.

In Rum bei Innsbruck (Tirol) hat am Montag (7. 9. 2020) bei einem Imbissstand ein Pitbull Terrier einen Yorkshire Terrier attackiert. Zwei 13-jährige Mädchen waren am Montag gegen 18.30 Uhr mit ihrem weißen Yorkshire Terrier an dem Imbissstand in der Steinbockallee vorbeispaziert, als sich plötzlich der braune bzw. fuchsfarbige Pitbull Terrier, der an einem leeren Stuhl angeleint war, losriss und den Hund der Mädchen attackierte. Der Besitzer des Pitbull Terriers und vermutlich dessen Sohn gingen daraufhin mit den Mädchen und dem verletzten Hund zu einem nahegelegenen Tierarzt. Der Pitbull Terrier wurde unmittelbar nach dem Vorfall von einer Frau mitgenommen.

Quelle: APA

Der Tatort

Rum liegt in Innsbruck-Land, ein Gewerbepark, gegenüber von Tierplus und Köllezoo Innsbruck gibt es „Snoopy Grill“. Vermutlich ist mit „Imbissstand“, dieses Etablissement gemeint. Hinter dem Gewerbepark liegen Felder, die bis zum Inn reichen. Man kann davon ausgehen, dass dort viele Hunde spazieren gehen.

Die Medien

Die Boulevardzeitung „Heute“ setzt auf Tradition und titelt: „Pitbull beißt Hund fast tot – Besitzer lügt Mädchen an“ und fügt ein passendes Foto dazu. Ein Pitbull fletscht seine Zähne. SymbolbildiStock/Beaubizz. Die „Tiroler Tageszeitung“ geht es etwas weniger reißerisch an, ihre Überschrift lautet: „Pitbull attackierte Yorkshire Terrier in Rum: Polizei sucht Hundebesitzer“ und bebildert den Artikel mit einem Yorkshire Terrier. Die „Kleine Zeitung“, die Listenhunde nicht besonders schätzt, schreibt: „Pitbull biss Yorkshire fast tot: Halter hinterließ falsche Daten“ und zeigt einen etwas verwirrt dreinschauenden Pitbull mit Hängeohr als Titelbild.

Der eigentliche Skandal

Ein Hundehalter lässt den anderen auf den Kosten sitzen. Der Biss scheint nicht lebensbedrohend gewesen zu sein, die APA Meldung hätte es sonst erwähnt. Daher ist diese Geschichte nicht die eines dramatischen Hundegemetzels, es ist eher jene, eines Hundehalters, der sich seiner Verantwortung entzieht. Bezogen auf die APA Meldung jedenfalls.

Der Besitzer des Pitbulls gab den Mädchen seine Kontaktdaten bekannt und versprach, dass er für die Tierarztkosten aufkommen werde. Im Nachhinein fand die Tierärztin jedoch heraus, dass die angegebenen Daten nicht stimmten. Sie erstattete daraufhin Anzeige. Der Besitzer des Pitbulls wurde als 40 bis 50 Jahre alt und rund 1,70 bis 1,80 Meter groß beschrieben. Er hatte einen Stoppelbart, sehr kurze schwarze Haare, eine hohe Stirn und eine stämmige bis korpulente Statur. Der Sohn war 15 bis 20 Jahre alt, rund 1,60 bis 1,75 Meter groß und hatte blonde bis fuchsfarbige Haare und ebenfalls eine stämmige Statur. Die Polizei bat um Hinweise.

Quelle: APA

Es ist aber auch die Geschichte von zwei Hundehaltern die eine gefährliche Situation weder erkannten, noch richtig darauf reagiert haben. Dem Halter des Pitbull hätte klar sein müssen, dass ein leerer Sessel seinen Hund nicht zurückhalten würde. Die beiden Mädchen haben die Gefahr ebenfalls nicht vorhergesehen.

Ab wann darf man mit Hunden Gassi gehen?

Ein Kind, beziehungsweise der oder die Jugendliche, muss dafür geeignet sein. Mehr verlangt der Gesetzesgeber nicht. Es liegt also im Ermessen des oder der Erziehungsberechtigten, ob man den Nachwuchs alleine mit dem Vierbeiner losschickt. Anders sieht es im Fall eines Listenhundes aus, jedenfalls da wo es Rasselisten gibt. Jugendliche unter 16 Jahren dürfen dort Listenhunde weder halten noch verwahren und auch Spaziergänge sind tabu. Die Verantwortung  liegt, wenn etwas passiert, bei der Person mit der Aufsichtspflicht. Tirol hat keine Rasseliste mehr. Hund ist hier Hund.

Fraglich ist, ob Kinder Gefahrensituationen optimal einschätzen können. Ein erfahrener Hundehalter hätte im Fall von Rum vermutlich erkannt, dass er sich in einer brenzligen Lage befindet, vielleicht hätte er präventiv den Vorfall verhindern können.

Passiert sowas oft?

Anscheinend ja, denn ähnliche Vorfälle gab es einige. Am 21.Jänner 2019 hat sich ein Pitbull-Mischling in Kindelbrück (Landkreis Sömmerda) von seiner Besitzerin losgerissen, einen Yorkshire-Terrier totgebissen und seine Besitzerin verletzt, als sie eingreifen wollte. In Itzehoe (Deutschland) reißt sich am 30.Spetember 2019 ein Pitbull von seinem Herrchen los und tötet einen Yorkshire Terrier. Montag, den 7.9.2020 passiert der Fall in Rum/Innsbruck, ein Pitbull reißt sich von einem unbesetzten Sessel los und verletzt einen Yorkshire Terrier.

Wieso passiert so etwas überhaupt?

Prinzipiell weil Hunde eben Hunde sind und viele Hundehalter ihren Vierbeiner zu sehr vermenschlichen oder ihn zumindest heillos unterschätzen. Bezogen auf Rum – es mag der Jagdtrieb gewesen sein, vielleicht hat der Yorkshire Terrier auch seinen Teil dazu beigetragen. Darüber gibt die APA Meldung keine Auskunft. Unterschiedliche Größenverhältnisse führen einfach zu gröberen Verletzungen. Hunde mit einem ausgeprägten Beutetrieb sehen kleine Hunde häufig als „Beute“. Kleine Hunde wiederum, wissen nicht, dass sie klein sind und legen sich oft mit großen Hunden an. Hundehalter sollten das beachten. Würden sie das tun, dann gäbe es weniger Vorfälle.

Liegt das an der Rasse?

Nein, der Pitbull ist in Europa keine anerkannte Hunderasse, die FCI listet keine Rasse namens „Pitbull“. Daher kann man eigentlich nur von einem Mischling sprechen. Die meisten Hunde des Typs „Pitbull“ kommen von Vermehrern, nicht von Züchtern. Es gibt bei diesen Hunden keine bestimmte Selektion. Meist werden die Hunde ohne züchterisches Wissen verpaart und aufgezogen. Viele haben bereits epigenetische Schäden. Die Führung eines vorbelasteten Hundes erfordert viel Können und Wissen. Bei vielen Hundehaltern ist das aber nicht vorhanden. Kommt dann noch Vermenschlichung dazu, dann kann so ein Hund auffällig werden.

Wenn der Hundehalter die Tierarztrechnung bezahlt hätte …

Hätte der Hundehalter seine Verantwortung wahr genommen, dann hätte es diese APA Meldung nicht gegeben. Bereits der Umstand, dass der Hund sehr schnell vom Tatort entfernt wurde, lässt vermuten, dass der Hundehalter fürchtete „aktenkundig“ zu werden. Das kann auch die Erklärung für die Angabe einer falschen Adresse sein.

Im Normalfall besteht bei einer Beißerei kein Grund sich der Verantwortung zu entziehen. Wenn ein Hund ordnungsgemäß angemeldet und versichert ist, dann erledigt die Hundeversicherung die Abwicklung des Schadens. Der Fall wäre nie zur Anzeige gekommen, wenn die Tierärztin, aufgrund der falschen Adresse, nicht die Behörden informiert hätte. Menschen kamen bei diesem Vorfall keine zu Schaden.

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