Liest man in Hundeforen und Gruppen, dann hat man den Eindruck – ja Hundehalter scheinen zu verdummen. Auf den ersten Blick ist da viel Meinung aber wenig Wissen. Natürlich geht es in Gruppen und Foren auch darum „rechtzuhaben“ und sich zu präsentieren. Das kann man leicht als „Dummheit“ missinterpretieren. Es ist eine alte Weisheit, wenn man etwas besonders gut machen möchte, geht es meist besonders schief. „Dummheit“ ist nicht das Problem. Die Sicht auf den Hund und die Erwartung an den Hund sind es. Vierbeiner sind sehr oft eine Art „Kinder-oder Partnerersatz“ und von diesen erwartet man irgendwie, dass sie „lieb“ sind.

Wenn Hunde lesen könnten …

…würden sie vermutlich vor Lachen aufs Parkett pinkeln, vielleicht wären sie auch entsetzt, das hängt vermutlich vom Naturell des einzelnen Hundes ab. Manche Vierbeiner würden bitterlich weinen. Die Vermenschlichung des Hundes und die Erwartungshaltung ein „besserer Mensch“ auf vier Pfoten zu sein, macht vielen Hunden zu schaffen.

Hunde sind nicht „lieb“

Unsere Hunde sind Nachkommen des Wolfes und damit sind sie Beutegreifer. Vom Prädikat „Raubtier“ kann man vielleicht absehen, immerhin leben Hunde schon seit zehntausenden von Jahren mit dem Menschen, das eine oder andere hat sich über die vielen Generationen geändert. Wer einen schnaufenden Mops sieht, fühlt sich vielleicht nicht an den Wolf erinnert aber auch ein kleiner plattnasiger Hund stammt von ihm ab. Dass Wölfe nicht „lieb“ sind, darauf können sich die meisten Menschen einigen, nur ganz wenige versuchen einen in freier Wildbahn zu streicheln. Bei Hunden ist das anders, von ihnen wird erwartet „lieb“ zu sein und Menschen haben durchaus die Tendenz einen fremden Hund zu streicheln.

Hunde sind allerdings sehr anpassungsfähig

Es gibt wenige Tiere die sich so sehr an den Mensch angepasst haben wie der Hund. Der dem Hund angeborene Opportunismus ist wohl der Grund. Umso mehr Anpassung umso mehr Futter und Zuwendung. Bettelnde Hunde zum Beispiel machen auf „lieb“, das bedeutet nicht, dass sie es sind, es heißt nur, dass sie etwas wollen und „lieb-schauen“ schneller zum Ziel führt. Hunde sind gute Beobachter und sie sind lernfähig.

Alle Hunde haben sich lieb

Jeder Vierbeiner würde sofort antworten: „auf keinen Fall“. Hunde die einander fremd sind haben sich nicht grundsätzlich „lieb“. Warum sollte das bei Hunden so sein? Auch Menschen haben sich nicht grundsätzlich „lieb“, manche mag man, manche toleriert man und bei manchen verhindert das Gesetzbuch Schlimmeres. Hunde die dauernd neue Hunde kennenlernen sollen sind meist gestresste Hunde. Am glücklichsten ist ein Hund, wenn er ein paar gute vierbeinige Freunde hat und einen Zweibeiner der ihn wahrnimmt. Hunde binden sich stark an den Menschen, er ist ihr Bezugspartner, mit ihm wollen sie die Welt erleben, möglichst ohne störendes Smartphone.

Aber die armen Hunde müssen doch spielen

Auch hier würden Vierbeiner die Pfoten über den Kopf zusammenschlagen. Das Konzept „Spiel“ kennt ein Hund nicht. Wenn er mit anderen Hunden interagiert, dann übt er. Rangordnung feststellen will gelernt sein, Jagdverhalten ebenfalls. Was der Mensch als Spiel interpretiert ist meist Rangordnung definieren, Raufen üben oder Jagen ausprobieren. Große Hunde, vor allem Sichtjäger, freuen sich tierisch, wenn sie kleine Hunde hetzen können, für die kleineren Vierbeiner ist das meist weniger witzig. Tragisch für die Kleinen ist es, wenn ihr Zweibeiner denkt „hach da toben sie sich endlich einmal aus“.

Mein Hund beißt nie

Das ist eine gewagte Aussage. Im Gegensatz zum Mensch haben Hunde keine Hände, das Maul inklusive 42 Zähne ist auch das Greifwerkzeug des Vierbeiners. Wird ein Hund zum Beispiel angegriffen, kann er seinen Gegner schwer mit den Pfoten festhalten oder in den Schwitzkasten nehmen. Er wird den Angreifer entweder arretieren – ja dazu braucht er seine Zähne – oder er wird ihn niederdrücken – das geht auch mit der Masse. Vielleicht versucht der Hund vorher zu flüchten aber wenn ihm nichts anderes übrig bleibt wird er seine Zähne einsetzen. Es liegt immer am Hundehalter solche Situationen zu verhindern.

Hundehalter fördern oft Konflikte

Der Klassiker ist die Begegnung an der Leine. Zwei Hunde die sich nicht frei bewegen können, die Spannung der Leine, vielleicht noch etwas mentales Bauchgrimmen am oberen Ende der Leine, fertig ist der Konflikt. Eine Leinenbegegnung ist eigentlich eine sehr dumme Sache. Wenn sie eskaliert wird es meist eine recht teure Angelegenheit. Beliebt ist auch den Leinenradius nur 1x zu berechnen. Allerdings – wenn der andere Hund nicht getragen wird, hat auch er einen Leinenradius, das wird gerne vergessen. Das führt zu einer unerwarteten Leinenbegegnung und die ist ganz schlecht. Zwei überraschte Hundehalter plus zwei gestresste Hunde, das ist keine gute Basis für eine harmonische Beziehung. Alle schlechten Dinge sind Drei – besonders unklug ist es den eigenen Hund zu einem angeleinten Hund hinlaufen zu lassen. Will man sich allerdings einen Feind fürs Leben schaffen, ist es eine perfekte Strategie und eine tolle Möglichkeit vor Gericht zu landen, Bisse gegen Menschen sind de jure Körperverletzung.

Man darf das nicht so eng sehen – meist passiert eh nix

Zugegeben, es passiert erfreulich wenig in Relation zu den Führfehlern die Hundehalter machen. Nur wenn etwas passiert ist das Drama perfekt. Dabei wären die meisten unerfreulichen Situationen leicht vermeidbar. Wenn man seinen Hund gut lesen kann und auch in etwa versteht was der andere Hund sagen will, dann reagiert man richtig. Jeder Hund hat sein eigenes Naturell. Der eine stellt sofort klar was er will, der andere weicht einer Konfrontation lieber aus. Auch den Hundehalter sollte man eines Blickes würdigen, denn die beiden „Oberen Enden der Leine“ beeinflussen eine Hundebegegnung nicht unwesentlich. Man muss auch im Kopf haben, dass ein Hund der Stress aufgebaut hat, dazu tendiert diesen abzureagieren. Ein fremder Hund ist dafür praktisch.

Sozialisierung ist gut aber sie ist kein Allheilmittel

Der Begriff „Sozialisierung“ ist eines der am häufigsten verwendeten Wörter unter Hundeleuten. Es bedeutet “ etwas in die Gemeinschaft einordnen“ aber auch „mit etwas vertraut machen“. Natürlich soll man seinen Hund sozialisieren. Man soll aber nicht erwarten, dass man deshalb einen allseits verträglichen Hund bekommt. Ob der Hund ein Sonnenscheinchen oder ein Griesgram wird hängt von vielen Faktoren ab, Sozialisierung ist einer davon. Sie ist auch mit Vorsicht zu betreiben, hat ein Hund ein mieses Erlebnis als Welpe, merkt er sich das ein Leben lang.

Die Sehnsucht nach dem „einfachen Hund“

Wer hätte das nicht gerne, der Hund läuft frei herum, verträgt sich mit allen anderen Lebewesen, reagiert immer richtig, man kann ganz entspannt Spaziergang und Natur genießen. Es gibt diese Hunde aber meist steckt viel Arbeit und Erziehung hinter diesem Verhalten. Viele Hundehalter bevorzugen aber den „selbsterziehenden Hund“ und den gibt es ausgesprochen selten. Manche glauben eine Kastration könnte Erziehung ersetzen. Im urbanen Raum laufen mittlerweile sehr viele Kastraten herum und die haben es nicht immer leicht bei Hundebegegnungen.

Wenn der Hund nicht lieb ist, dann ist der Besitzer schuld

Wir wissen bereits seit dem ersten Absatz, dass Hunde eben nicht „lieb“ sind. Natürlich kann ein Hundehalter viele Fehler machen, vielleicht ist die Sozialisierung schief gegangen, vielleicht gab es ein paar unerfreuliche Begegnungen aber ein „grantiger Hund“ kann auch ohne viel Zutun entstehen. Dazu kommt die alte Weisheit: „zu einem Streit gehören immer zwei“. Nicht jeder Hund mag automatisch alle anderen Vierbeiner. Es ist normales Hundeverhalten den einen zu mögen und den anderen zu dominieren oder zu mobben. Wir müssen bei unseren Erwartungen vom Hund ausgehen, nicht von einem menschlichen Idealbild. Erziehung, Gehorsam, Sozialisierung kann viel aber nicht alles.

Zu guter Letzt – Hunde müssen nicht alles gut finden

Ein Hund muss sich nicht bedrängen lassen, er muss es auch nicht gut finden, wenn ein übermütiger Junghund ihn anspringt. Ein Hund darf einen anderen Hund zurechtweisen. Es liegt am Hundehalter darauf zu achten, dass daraus kein Tierarztbesuch wird. Ein Hund darf auch unverträglich sein. Sein Zweibeiner muss mit ihm leben. Man kann verlangen, dass er keine Gefahr darstellt aber man soll unverträglichen Hunden genug Raum geben. Rücksicht ist eine wichtige Eigenschaft bei Hundehaltern. Die meisten Streitigkeiten zwischen ihnen entstehen aufgrund mangelnder Rücksichtnahme und Vorsicht. Toleranz ist ebenfalls hilfreich. Wenn ein Hundehalter keine Begegnung will, wird es einen Grund haben. Man sollte sparsam mit guten Tipps und Ratschlägen umgehen, oft streut man Salz in offene Wunden.

Bild: von monicore von Pexels

Text: dogNEWSdieSEITE

1 Kommentar zu „Werden Hundehalter immer dümmer?“

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